Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 03.01.2007; Aktenzeichen 324 O 763/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 763/06, vom 3.1.2007 abgeändert. Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Dr. ... zu den Bedingungen eines beim LG Hamburg zugelassenen Rechtsanwalts zur Vertretung beigeordnet.
Gründe
I. Der Antragsteller beantragt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der der Antragsgegnerin untersagt werden soll, über ihn im Zusammenhang mit dem Mord an ...bei voller Namensnennung zu berichten. Der Mord geschah im Juli 1990. Der Antragsteller wurde etwa ein Jahr später festgenommen und im Mai 1993 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Aus einem anderen Beschwerdeverfahren (Geschäftsnummer 7 W 20/07) ist dem Senat bekannt, dass die im Hinblick auf die Schwere der Schuld anzunehmende Mindestvollstreckungszeit für den Antragsteller am 2.7.2007 abläuft (Beschl. des LG Marburg Geschäftsnummer 7 StVK 115/04). Ausweislich des mit der Beschwerdebegründung (als Anlage K 5 (2) in Kopie) eingereichten Beschlusses des OLG Frankfurt am Main vom 1.8.2006 (Geschäftsnummer 3 Ws 389/06 (StVollz)) sind dem Antragsteller Vollzugslockerungen nebst flankierenden Maßnahmen zu gewähren. Der Antragsteller behauptet, bereits Freigänger zu sein.
Das LG hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 3.1.2007 zurückgewiesen, auf dessen Gründe zur weiteren Sachdarstellung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen wird. Der Antragsteller hat dagegen am 16.1.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Dem Antragsteller ist gem. §§ 114 ff. ZPO für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Unterlassungsklage zu bewilligen. Denn dieser Klage kann nach der im Prozesskostenhilfeverfahren vorzunehmenden Beurteilung eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Dabei ist zu beachten, dass die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden dürfen, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weit gehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, verfehlt würde (vgl. BVerfG NJW 2003, 1857, zitiert nach Juris: Rz. 7).
Nach diesem Maßstab ist davon auszugehen, dass der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Unterlassung einer seinen Namen nennenden Berichterstattung vom Mord an ... gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 analog BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verlangen kann.
Wie das LG zutreffend im Grundsatz ausgeführt hat, folgt aus dem langen Zeitablauf sowie im Hinblick auf die Resozialisierung des Antragstellers aus seiner bevorstehenden möglichen Haftentlassung ab dem 2.7.2007, dass er die weitere Veröffentlichung seines vollen Namens im Zusammenhang mit dem Mordfall nicht dulden muss (vgl. BVerfGE 35, 202 ff.; BVerfG NJW 2000, 1859 ff.). Die Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den gem. Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Publikationsorgans und der Öffentlichkeit an umfassender Information dürfte zu einem Überwiegen der Rechte des Antragstellers führen.
Gegenüber einem Unterlassungsanspruch des Antragstellers aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG haben die Einwendungen der Antragsgegnerin kein so großes Gewicht, dass der Unterlassungsklage eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO abgesprochen werden kann.
a) Die dem Antragsteller vorgehaltene Presseerklärung seines Verteidigers vom 15.4.2005 (Anlage B 1) wurde mehr als zwei Jahre vor dem Ablauf der Mindestverbüßungszeit am 2.7.2007 abgegeben. Selbst wenn eine Reaktualisierung des öffentlichen Interesses durch die Presseerklärung dem Antragsteller zuzurechnen wäre und deshalb sein Anonymitätsinteresse im Jahr 2005 oder sogar bis April 2006 eingeschränkt gewesen wäre, war dies jedenfalls im Juni 2006 - zur Zeit der Abmahnung der Antragsgegnerin - im Hinblick auf das zunehmende Resozialisierungsinteresse nicht mehr der Fall.
b) Erst recht gilt diese Einschätzung mangels zeitlichen Zusammenhangs für einen Artikel in der Zeitschrift "...", von dem die Antragsgegnerin vorträgt, er gehe auf ausführliche Auskünfte des Antragstellers zurück; denn der zitierten Entscheidung des OLG München vom 16.1.2007, 18 U 5093/06 (S. 8, Anlagenkonvolut K. 5) ist zu entnehmen, dass dieser Artikel bereits im Jahr 1999 erschien.
c) Was den Inhalt der Internet-Seite des früheren Verteidigers des Antragstellers angeht, der dort die Presseerklärung vom 15.4.2005 und Zeitungsartikel über Wiederaufnahmeanträge aus den Jahren 1999 bis 2004 (Anlage B 1, Anlagenkonvolut B 2) bis Mitte 2006 im Internet verbreitete, so behauptet der Antragsteller, dass er davon keine Kenntnis gehabt habe, und verweist darauf, dass er selbst seit dem Jahr 2004 gegen die Veröffentlichung seines Namens vorge...