Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanerkennung einer nach Verzicht auf die deutsche Fahrerlaubnis im europäischen Ausland erworbenen Fahrerlaubnis
Leitsatz (amtlich)
1. § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV ist mit dem gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz vereinbar. Dies gilt auch für den Fall, dass die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil der Berechtigte zwischenzeitlich auf sie verzichtet hat.
2. Die jetzt maßgebliche 3 Führerscheinrichtlinie gebietet keine einschränkende Auslegung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur 2. Führerscheinrichtlinie (Anschluss an OLG Stuttgart, NJW 2010, 2818; gegen OVG Rheinland-Pfalz, NJW 2010, 2825).
Normenkette
FeV § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Hamburg-Harburg (Entscheidung vom 17.05.2011; Aktenzeichen 619 Ds 53/11) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg, Abteilung 619, vom 17. Mai 2011 im Maßregelausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hamburg-Harburg zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat den Angeklagten am 17. Mai 2011 wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt, die Höhe des Tagessatzes auf 10,- Euro festgesetzt und dem Angeklagten die Möglichkeit zur Ratenzahlung eingeräumt. Daneben hat es eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von 12 Monaten angeordnet.
Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils hatte der Angeklagte am 11. November 2004 und 15. Mai 2008 ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines berauschenden Mittels geführt. Um dem Entzug der Fahrerlaubnis zuvor zu kommen, hatte er am 24. September 2008 auf seine Fahrerlaubnis verzichtet. Seit diesem Zeitpunkt hatte er keine neue deutsche Fahrerlaubnis erworben. Am 9. März 2009 wurde dem Angeklagten eine Fahrerlaubnis der Tschechischen Republik ausgestellt, wo er zu dieser Zeit wohnhaft gemeldet war. Der Angeklagte, der aufgrund der Mitteilung einer Organisation, die ihm bei dem Erwerb der Fahrerlaubnis behilflich war, davon ausging, dass er mit seiner in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland ein Kraftfahrzeug führen durfte, befuhr am 15. September 2010 mit einem Kraftfahrzeug die Bundesautobahn 255.
Zu der angeordneten Maßregel hat das Amtsgericht ausgeführt, dass das Gericht gemäß § 69a StGB auf eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von 12 Monaten erkannt habe.
Gegen das amtsgerichtliche Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Sprungrevision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat angetragen, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II. Die zulässige Sprungrevision führt lediglich zur Aufhebung der angeordneten Maßregel; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Nachprüfung des amtsgerichtlichen Urteils hat zum Schuldspruch des fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und zur Festsetzung der Geldstrafe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte des fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 Nr. 1 StVG schuldig gemacht.
Der Angeklagte war zur Tatzeit am 15. September 2010 nicht berechtigt, mit seiner ihm am 9. März 2009 ausgestellten tschechischen Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland zu führen.
aa. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gilt eine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis u.a. dann nicht, wenn dem Betroffenen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil er zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet hat.
Dies war nach den amtsgerichtlichen Feststellungen vorliegend der Fall. Nachdem der Angeklagte in der Bundesrepublik Deutschland am 15. Mai 2008 im Wiederholungsfall ein Fahrzeug unter dem Einfluss berauschender Mittel geführt hatte, war er dem Entzug der Fahrerlaubnis durch Verzicht auf dieselbe am 24. September 2008 zuvorgekommen. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV lagen vor, da der Verzicht nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht getilgt war.
bb. Entgegen der Ansicht der Revision steht das bundesdeutsche Recht mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht im Einklang (so auch: OLG Stuttgart, NStZ-RR 2011, 15 m.w.Nachw., VGH Baden-Württemberg, NJW 2010, 2821, OVG Nordrhein-Westfalen, VRS 118, 314 - zitiert nach "juris", OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 23.02.2010, 1 M 172/09 - zitiert nach "juris"; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.09.2011, OVG 1 S 4.11 - zitiert nach "juri...