Normenkette
HeilMWerbG § 9 S. 2; UWG §§ 3a, 5
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 19.11.2019; Aktenzeichen 406 HKO 165/19) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21. Juli 2020, Az. 406 HKO 165/19, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Die Beklagte kann hierzu binnen zwei Wochen Stellung nehmen.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung sowie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von EUR 299,60 nebst Verzugszinsen in Anspruch.
Mit Versäumnis-Urteil vom 19. November 2019, Az. 406 HKO 165/19, hat das Landgericht die Beklagte wie folgt verurteilt:
"I. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für 'Krankschreibung ohne Arztbesuch' bei 'Erkältung' und 'Regelschmerzen' zu werben, wenn dies - wie nachstehend eingeblendet - Abbildung
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auf der Homepage der Beklagten (www...de) geschieht, indem der angesprochene Besteller dort von der Beklagten vorgegebene 'Symptome' nach eigener Wahl anklicken, von der Beklagten vorgegebene Fragen beantworten und nach eigenem Ermessen die gewünschte Dauer der Krankschreibung von 1-3 Tagen wählen kann, woraufhin die Beklagte dem Besteller die angeforderte AU-Bescheinigung zur Vorlage bei Arbeitgeber und Krankenkasse erteilt, die ein in ihrem Auftrag handelnder 'Privatarzt' ausstellt, ohne dass die von diesem gestellte 'Diagnose' auf persönlicher Wahrnehmung des Arztes und eigener Untersuchung des Bestellers beruht.
II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis sechs Monate, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren angedroht.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 299,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2019 zu zahlen.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 30.000,00 EUR zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar."
Mit Urteil vom 21. Juli 2020 hat das Landgericht das Versäumnis-Urteil vom 19. November 2019, aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 18. August 2020, die sie frist- und formgerecht eingelegt und begründet hat.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Ansicht, dass dem Landgericht die notwendige Sachkunde gefehlt habe, um beurteilen zu können, ob eine zuverlässige Diagnosestellung ohne persönlichen Kontakt bzw. Videochat möglich sei. Daher habe das Landgericht nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens entscheiden dürfen. Zudem liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil das Landgericht den Beklagtenvortrag, wonach der Beklagten bei über 70.000 Ferndiagnosen bisher keine Fehldiagnose gemeldet worden sei, unberücksichtigt gelassen habe.
Hinsichtlich des weiteren Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 19. Oktober 2020 sowie den weiteren Schriftsatz vom 11. November 2020 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die landgerichtliche Entscheidung und nimmt zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug.
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten, wonach es bisher keine Fehldiagnosen gegeben habe, weiter entgegen. Sie weist erneut darauf hin, dass sie bereits vor Klagerhebung zwei "Test-Anforderungen" vorgenommen habe, die gezeigt hätten, dass die bestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ohne weiteres an gesunde Kunden versandt worden seien (Anlagen K 13 und K 14). Zudem ergebe sich das Missbrauchspotential aus entsprechenden Medienberichten (Anlagen K 6 bis K 9).
Dass das Vorgehen der Beklagten nicht den "allgemein anerkannten fachlichen Standards" i.S.v. § 9 S. 2 HWG entspreche, zeige auch der Umstand, dass die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage einer Videosprechstunde nach der AU-Richtlinie des GB-A nur dann zulässig sei, wenn der oder die Versicherte der behandelnden Arztpraxis bereits bekannt sei. Die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf der Basis eines Online-Fragebogens, einer Chat-Befragung oder eines Telefonats sei nach Ansicht des GB-A unzureichend (Anlage K 15).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil (§ 540 Abs. 1 Nr. 1), auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der landgerichtlichen Verhandlung vom 23. Juni 2020 Bezug genommen.
B. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zulässig, hat aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
I. Dem Kläger steht der mit dem Klageantrag zu I. geltend gemachte Anspruch a...