Leitsatz (amtlich)
Für Klagen, die Versicherungsnehmer bis zum Ende des Jahres 2008 gegen den Versicherer aufgrund von Versicherungsverhältnissen, die bis zum Inkrafttreten des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23.11.2007 am 1.1.2008 entstanden sind (Altverträge), erheben, ist der Gerichtsstand nach § 215 VVG n.F. nicht begründet.
Normenkette
VVG § 215 n.F.; EGVVG Art. 1 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 16.02.2009; Aktenzeichen 332 O 410/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 26.2.2009 gegen den Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 32, vom 16.2.2009 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung, deren Niederlassung für Deutschland in München ansässig ist, aus einer zu seinen Gunsten seit dem 1.12.1999 bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vor dem LG Hamburg in Anspruch. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit soll nach seinem Vorbringen spätestens seit September 2007 eingetreten sein. Die vereinbarten Rentenleistungen werden seit dem 1.4.2008 begehrt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 16.12.2008 verwiesen.
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Hamburg gerügt. Der Kläger ist der Auffassung, dass sich dessen Zuständigkeit aus § 215 VVG n.F. ergibt.
Das LG hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es hält die Klage für unzulässig, da die örtliche Zuständigkeit nicht gegeben sei. § 215 VVG n.F. sei hier nicht anwendbar. Vielmehr sei aufgrund der Übergangsbestimmung des Art. 1 Abs. 2 EGGVG das VVG in der bisherigen Fassung anzuwenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses vom 9.3.2009 verwiesen. Ferner wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen der Parteien Bezug genommen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da sie vor dem LG Hamburg unzulässig ist.
Die örtliche Zuständigkeit des LG Hamburg könnte sich nur aus § 215 VVG n.F. ergeben. Die Frage, ob diese Vorschrift bei Versicherungsverhältnissen, die - wie das hier vorliegende - bis zum Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetzes am 1.1.2008 entstanden sind (sog. Altverträge), bereits von diesem Zeitpunkt an Anwendung findet oder gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG erst ab 1.1.2009, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Meinung (OLG Saarbrücken VersR 2008, 1337; Schneider VersR 2008, 859; Fricke VersR 2009, 15) soll sich die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG lediglich auf materielles Versicherungsvertragsrecht beziehen, so dass für die als rein prozessual verstandene Gerichtsstandregelung des § 215 VVG die Regelung über das Inkrafttreten in Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts maßgeblich sein soll. Demgegenüber wird nach anderer Ansicht (OLG Stuttgart VersR 2009, 246, RuS 2009, 102, RuS 2009, 103; Abel/Winkens RuS 2009, 103 m.w.N.) auch die Gerichtsstandregelung des § 215 VVG von der Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG erfasst. Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung.
Nach Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, eines Artikelgesetzes, ist dieses Gesetz am 1.1.2008 in Kraft getreten. Damit sind - vorbehaltlich von Überleitungsvorschriften - zu diesem Zeitpunkt auch die Vorschriften des in Art. 1 kodifizierten Versicherungsvertragsgesetzes in Kraft getreten. Solche Überleitungsvorschriften enthält Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz. Nach dessen Abs. 1 ist auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des (neuen) Versicherungsvertragsgesetzes am 1.1.2008 entstanden sind (Altverträge), grundsätzlich das bis dahin geltende (alte) Versicherungsvertragsgesetz anzuwenden. Damit ist auf Altverträge (bis zum 31.12.2008) auch § 48 VVG a.F. anzuwenden, der im neuen Versicherungsvertragsgesetz nicht mehr enthalten ist, sondern durch § 215 VVG ersetzt wird. Hieraus folgt, dass § 215 VVG bei Altverträgen (jedenfalls bis zum 31.12.2008) nicht gelten kann. Andernfalls käme es zu einer vom Gesetzgeber ersichtlich nicht bezweckten gleichzeitigen Geltung von § 48 VVG a.F. und § 215 VVG n.F.
Dass § 48 VVG a.F. mit Ablauf des 1.12.2007 entfallen ist, wie Schneider (VersR 2008, 859 unter II.1. c) und im Anschluss an ihn das OLG Saarbrücken (VersR 2008, 1337) meinen, ist mit dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 EGVVG, wonach auf Altverträge das (alte) Versicherungsvertragsgesetz bis zum 31.12.2008 anzuwenden ist, nicht zu vereinbaren. Die Verweisung der Altverträge auf das (alte) Versicherungsvertragsgesetz ist einschränkungslos erfolgt und bezieht sich damit auf seine sämtlichen Vorschriften. Die von Schneider vorgenommene Konstruktion...