Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorbeugender Gerichtsstand

 

Leitsatz (amtlich)

1. Isoliert - ohne den entsprechenden Unterlassungsanspruch - geltend gemachte Klagen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus einem wettbewerbswidrigen Verhalten können selbst dann ebenfalls im Gerichtsstand des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs erhoben werden, wenn der Kläger keine Schadens verursachende Handlung in diesem Bezirk dargelegt hat.

2. Die Annahme einer derartiger Zuständigkeitsregelung rechtfertigt sich zudem unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung der Annexansprüche der zu Grunde liegende Unterlassungsanspruch noch - wenngleich in einem gesonderten Rechtsstreit - in diesem Gerichtsstand anhängig ist.

3. Die (allgemeine) gerichtliche Feststellung der Schadensersatzpflicht aus einem wettbewerbswidrigen Verhalten erfordert noch keine Überprüfung des Einwands der in Anspruch genommenen Partei, die in Betracht kommenden Ansprüche seien rechtlich nicht durchsetzbar, weil ihnen wegen der konkreten Umstände des Wettbewerbsverstoßes nichtige Vereinbarungen zu Grunde lägen.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 29.04.2003; Aktenzeichen 407 O 178/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 29.4.2003 abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus nachstehend bezeichneter Handlungsweise seit dem 11.6.2002 entstanden ist oder zukünftig entstehen wird, dass die Beklagten:

a) gegenüber dem Buch- und/oder Zeitschriftenhandel mündlich und/oder schriftlich ein Auskunftsersuchen betreffend die Zeitschrift "W." - selbst oder durch Dritte - gestellt haben und in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Firma W. Verlag GmbH und deren Geschäftstätigkeit von "fragwürdigen Geschäftspraktiken" oder "diesbezüglichen Vermutungen" die Rede ist, insbes., wenn dies geschieht mit Angaben wie:

"In Wahrnehmung unserer satzungsgemäßen Aufgaben befassen wir uns u.a. mit fragwürdigen Geschäftspraktiken auf dem "Werbeverlagssektor". Dabei stellen wir aus gegebenem Anlass Nachforschungen über die Aktivitäten der Firma W. Verlag GmbH.

Die von diesem Verlag herausgegebene Zeitschrift "W." erscheint monatlich und soll laut Impressum im "ausgewählten Zeitschriftenhandel, insb. an Bahnhöfen und Flughäfen" erhältlich sein.

Wir möchten diese Angabe und einige diesbezügliche Vermutungen überprüfen und wären Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie uns den anliegenden Fragebogen ausfüllen und der Einfachheit halber per Telefax an uns zurücksenden wollen":

und/oder

b) gegenüber den in der Zeitschrift "W. aufgeführten Firmen/Unternehmen mündlich und/oder schriftlich ein Auskunftsersuchen - selbst oder durch Dritte - gestellt haben und in diesem Zusammenhang von der Firma W. Verlag GmbH und deren Geschäftstätigkeit von "fragwürdigen Geschäftspraktiken" die Rede ist, insbes., wenn dies geschieht mit Angaben wie in dem nachstehend exemplarisch eingelichteten Schreiben vom 11.6.2002 und dem sich daran anschließenden Fragebogen:

hier folgen im Original ein Anschreiben sowie ein Fragebogen und/oder

c) Schreiben an die Vertragspartner der Firma W. Verlag GmbH - selbst oder durch Dritte - versandt haben, die den nachfolgenden Text enthielten:

"Unsere Bitte um eine eidesstattliche Versicherung darüber, wie Ihr Unternehmen für ein sog. "Firmenportrait" in dem Magazin "W." geworben wurde, dürfen wir hier leider nicht näher erläutern, denn die Firma W. Verlag GmbH hat wegen einer früheren Umfrage eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg erwirkt, mit der uns eben dies untersagt wird.

Gleichwohl hoffen wir, dass möglichst viele von Ihnen unserer Bitte entsprechen werden. Ein Vordruck für Ihre eidesstattliche Versicherung liegt an. In gerichtlichen Auseinandersetzungen müssen eidesstattliche Versicherungen im Original vorgelegt werden. Deshalb bitten wir um Rücksendung per Post.

Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung, bitte aber um Verständnis dafür, dass wie uns wegen des einstweiligen gerichtlichen "Maulkorbs" vorübergehend in ungewohnter Zurückhaltung üben müssen."

und/oder

d) ungefragt an Vertragspartner der Firma W. Verlag GmbH - selbst oder durch Dritte - Formulare, die der Abgabe von eidesstattlichen Versicherungen dienen sollen, versandt haben.

2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der unter Ziff. 1. dargelegten Handlungsweisen seit dem 11.6.2002 unter Angabe der Adressaten der Rundschreiben, der Anzahl der versandten Rundschreiben, des Verbreitungsgebietes sowie des Verbreitungszeitraums.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz wie Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 19.000 Euro abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge