Leitsatz (amtlich)

Kann der Fachinformation für ein Arzneimittel entnommen werden, dass die Zulassungsbehörde trotz der im Verlauf einer Studie im Studiendesign vorgenommenen Änderungen eine darauf gestützte post-hoc-Analyse einer Subgruppe von Patienten für hinreichend valide erachtet hat, um das Arzneimittel zur Anwendung nur bei jenem Patientenkreis zuzulassen, dann muss die Werbung mit den Ergebnissen der Studie nicht erneut auf die Limitationen der Zulassungsstudie hinweisen. Derartige Hinweise wären im Gegenteil geeignet, die wissenschaftliche Aussagekraft der Studienergebnisse im Widerspruch zum Inhalt der geprüften Fachinformation in Zweifel zu ziehen und zur Irreführung des Verkehrs beizutragen.

 

Normenkette

UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, §§ 3, 3a, 5, 8; HWG § 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 408 HKO 88/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.11.2016, Az. 408 HKO 88/16, wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Werbeunterlage für das Arzneimittel G. der Antragsgegnerin.

Die Parteien vertreiben Arzneimittel zur Behandlung des sogenannten Morbus Fabry.

Die Antragstellerin vertreibt das Arzneimittel R. mit dem Wirkstoff Agalsidase alfa. Die Antragsgegnerin vertreibt das Arzneimittel G. mit dem Wirkstoff Migalastat (Fachinformation, Anlage ASt 1).

Morbus Fabry ist eine seltene Stoffwechselstörung, die durch einen (vererbten) Defekt im sogenannten GLA-Gen hervorgerufen wird. Bei dieser auch als lysosomale Speicherkrankheit bezeichneten Erkrankung fehlt den Patienten das Enzym alpha-Galaktosidase A (α-GAL A) in vollem Umfang oder sie produzieren zu wenig davon. Dadurch sammeln sich Stoffwechselprodukte, unter anderem das sogenannte Globotriaosylceramid (GL-3), in unterschiedlichen Zelltypen an und beeinträchtigen die Funktion zahlreicher Organe. Dies verursacht vielfältige Symptome an Haut, Muskeln, Gelenken und Organen und kann im weiteren Verlauf zu Herzversagen, Schlaganfall oder zur Dialysepflicht führen.

Seit August 2001 steht zur Behandlung des Morbus Fabry eine Therapie zur Verfügung, mit der das fehlende oder defekte Enzym alpha-Galactosidase A ersetzt wird. Deswegen wird auch von einer Enzymersatztherapie gesprochen. Ziel dieser Enzymersatztherapie ist es, das fehlende Enzym im Körper zu ersetzen und damit den Krankheitsverlauf aufzuhalten, zu verzögern und einer Schädigung der Organe vorzubeugen. Hierfür muss das fehlende Enzym lebenslang in regelmäßigen Abständen zugeführt werden.

Die Antragsgegnerin erhielt im Mai 2016 die Zulassung für ihr Präparat G. mit einem anderen Wirkmechanismus. Bestimmte Mutationen des GLA-gens können zur Produktion von fehlgefalteten und instabilen mutierten alpha-Galactosidase A-Formen führen. Migalastat ist ein sogenanntes pharmakologisches Chaperon, das entwickelt wurde, um selektiv und reversibel mit hoher Affinität an aktive Zentren von bestimmten mutierten alpha-Galactosidase A-Formen zu binden.

Ende September 2016 wurde die Antragstellerin auf eine Werbeunterlage, das "G. (Migalastat) Factsheet" (Anlage A), aufmerksam.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Auslobungen nicht ausreichend wissenschaftlich gesichert seien. Die dort beschriebene Facets-Studie (Anlage ASt 5) enthalte mehrere Limitationen, die entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht kommuniziert worden seien.

In der Studie werde der primäre Endpunkt in der ITT-Population deutlich verfehlt (p=0,3). Daraufhin sei in der Studie eine nochmalige Testung der Patienten mit einem "GLP HEK Assay" vorgenommen und daraus die sogenannte "modifizierte" ITT-Population gebildet worden. Die Testung und Einteilung der Patienten auf Mutationen, die auf Migalastat ansprechen, sei sodann zwar abgeschlossen worden, bevor die Daten entblindet worden seien. Dieses Vorgehen sei aber gleichwohl nicht präspezifiziert. Die von der Antragsgegnerin kommunizierten Daten bezögen sich somit auf eine post-hoc Analyse, die ausschließlich in einer Subpopulation erfolgt sei, bei der Patienten mit sogenannten "non amenable", das heißt nicht auf Migalasatat ansprechenden, Mutationen ausgeschlossen worden seien. Darauf werde auch schon im Abschnitt Methods des Abstracts dieser Publikation hingewiesen. Es sei ausweislich des EPARs (Anlage ASt 6) in der post-hoc Analyse nicht nur die Patientenpopulation, sondern auch noch der primäre Endpunkt von dem Anteil der Patienten mit einer 50% Reduktion von Inklusionen zu der insgesamt durchschnittlichen Zahl von GL-3 Inklusionen geändert worden, bevor signifikante Ergebnisse erreicht worden seien. Dies seien so dermaßen erhebliche Änderungen in der Studiendurchführung und dies sei so relevant für die Interpretation der Ergebnisse der FACETS-Studie, dass diese ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf die angeführten Einschränkungen nicht werblich hätte kommuniziert werden dürfen.

Die Antragsgegnerin...

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