Leitsatz (amtlich)
1. Die vergleichende Preis-Werbung eines Telefondienstanbieters ist nicht als unsachlich (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG) zu verbieten, wenn der Nutzer des beworbenen Telefontarifs als "schlau" bezeichnet wird.
2. Ein TV-Spot mit vergleichender Preis-Werbung eines Telefondienstanbieters ist nach den Umständen des Einzelfalles irreführend, wenn die Tarife mit Preisen und Geltungsbereich zwar richtig angegeben sind, aber nicht deutlich wird, dass sich der Vergleich nur auf einen (eng) begrenzten Zeitraum der verglichenen Tarife bezieht. Dem steht die EuGH-Rechtsprechung zur Richtlinie des Rates 97/55/EG, noch die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 GG) entgegen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 19.09.2003; Aktenzeichen 416 O 112/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 19.9.2003 abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst.
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) es bei Vermeidung eines vom LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu 250.000 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchsten zwei Jahre) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit dem TV-Spot "K-14" (vgl. auf der CD-ROM 71/03) zu werben und/oder werben zu lassen;
b) der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der unter Ziff. 1a) beschriebenen Geschäftstätigkeiten seit dem 23.3.2003, insb. unter Angabe der Anzahl der ausgestrahlten TV-Spots und der Sendetermine, aufgeschlüsselt nach den einzelnen TV-Sendern.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der der Klägerin aus den unter Ziff. 1a) genannten Geschäftstätigkeiten seit dem 23.3.2003 entstanden ist oder entstehen wird.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 100.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, das größte deutsche Telekommunikations-Unternehmen, betreibt ein bundesweites Telefonnetz und stellt den Verbrauchern auch die Telefonanschlüsse zur Verfügung. Die Beklagte vermittelt ebenfalls Telefongespräche im Festnetz und steht mit der Klägerin im Wettbewerb.
Die Beklagte warb für ihre Telefondienstleistung mit zwei TV-Werbespots, und zwar mit dem Spot "K-13" von 30 Sekunden Dauer und mit dem Spot "K-14" von 20 Sekunden Dauer (vgl. die Aufzeichnungen auf der CD-ROM 71/03, d.i. die Anlage zum Schriftsatz der Klägerin v. 19.12.2003 der Akte gleichen Rubrums OLG Hamburg 3 U 71/03; vgl. dazu noch die Story-Boards der TV-Spot-Sendungen, und zwar für den Spot "K-13" v. 22.3.2003: Anlage K 13 nebst Anlage B 3 Seite 1 und für den Spot "K-14" v. 23.3.2003: Anlage K 14 nebst Anlage B 3 S. 2).
Die Klägerin beanstandet die Werbung mit diesen TV-Spots als wettbewerbswidrig und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und deren Zinspflichtigkeit bezüglich der verauslagten Gerichtskosten in Anspruch.
In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums (LG Hamburg 416 O 49/03) erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte am 3.4.2003 eine Beschlussverfügung, der Verbotsausspruch stimmt mit dem vorliegend in erster Instanz gestellten Klageantrag zu 1. a) überein. Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 23.5.2003 hat das LG seine einstweilige Unterlassungsverfügung bestätigt. Auf die Beiakte LG Hamburg 416 O 49/03 mit allen Entscheidungen wird Bezug genommen.
Seit der Liberalisierung des Marktes für Telefondienstleistungen im Festnetz ab 1998 bietet eine Vielzahl von Unternehmen solche Leistungen an. Die Telefonkunden haben, um statt der Verbindung über die Klägerin die Dienstleistungen der neuen Anbieter zu wählen, grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Zum einen können sich die Kunden bei einer sog. dauerhaften Voreinstellung ("Pre-Selection") dafür entscheiden, dass automatisch alle mit einer Ortskennzahl (mit der Ziff. "0") beginnenden Gespräche durch einen bestimmten Wettbewerber vermittelt werden. Zum anderen können die Fernsprechteilnehmer den Wettbewerber der Klägerin, der ein einzelnes Gespräch vermitteln soll, durch die jeweilige Ang...