Leitsatz (amtlich)

Klagt der ausländische Hersteller eines Massen-Mehrspieler-Online-Rollen-Spiels in Prozessstandschaft für seine deutsche Vertriebsgesellschaft aus Wettbewerbsrecht wegen des Vertriebs einer Software, die es ermöglicht, Spielaktionen - entgegen eines in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Spieleanbieters ausgesprochenen Verbots - zu automatisieren, um eine Interaktion mit einem menschlichen Benutzer zu ersetzen (sog. Bots), ist nach § 3 TMG und Art. 6 ROM-II-VO deutsches Recht anwendbar.

Der Vertreiber einer solchen Bot-Software steht mit dem Spieleanbieter schon unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.

Gehört es zu den grundlegenden Voraussetzung des wirtschaftlichen Erfolgs des Online-Spiels, dass die Spieler die Spielregeln, zu denen auch das Verbot der Verwendung von Bots gehört, einhalten, ist der Vertrieb eines Bots zwar nicht unter dem Aspekt des Verleitens zum Vertragsbruch bzw. des Ausnutzens fremden Rechtsbruchs, aber unter dem Aspekt der Absatz- und Vertriebsstörung eine unlautere vertriebsbezogene Behinderung nach §§ 3, 4 Nr. 10 UWG, weil aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs ein auf Wettbewerb ausgerichtetes Spiel, bei dem ehrliche Spieler, die die Spielregeln einhalten, gegenüber unehrlichen Spielern benachteiligt werden, erheblich an Attraktivität und damit an wirtschaftlichem Erfolg einbüßen kann.

Wird die namentlich bezeichnete Bot-Software in der Weise beworben, dass sie ergänzend als "[Name des Spiels]-Bot" bezeichnet wird, wird die ergänzende Bezeichnung markenmäßig benutzt und verletzt an der Spielekennzeichnung bestehende Markenrechte.

 

Normenkette

TMG § 3; ROM-II-VO Art. 6, 8 Abs. 2; UWG §§ 3, 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1; GMV Art. 9 Abs. 1 lit. b), Art. 12, 97-98, 102

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 23.05.2013; Aktenzeichen 312 O 390/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.01.2017; Aktenzeichen I ZR 253/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, ZK 12, vom 23.5.2013 - 312 O 390/11, wird - soweit die Klage in der Berufungsinstanz nicht bereits zurückgenommen worden ist - zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens fallen der Klägerin zu 3/9, dem Beklagten zu 1) zu 2/9, der Beklagten zu 2) zu 4/9 zur Last. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 3/15, dem Beklagten 1) zu 4/15, der Beklagten zu 2) zu 8/15 zur Last.

Das vorliegende Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist - mit Ausnahme der landgerichtlichen Kostenentscheidung - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, soweit die Klage in der Berufungsinstanz nicht bereits zurückgenommen worden ist.

Der Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung hinsichtlich des Tenors zu I.1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 70.000,00, hinsichtlich des Tenors zu II.1. durch Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 60.000,00, hinsichtlich des Tenors zu II. 3. und II. 4. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. je EUR 3.000 abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beklagte zu 2) kann die Vollstreckung hinsichtlich des Tenors zu I.1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 130.000,00, hinsichtlich des Tenors zu II.1. durch Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 110.000,00, hinsichtlich des Tenors zu II. 3. und II. 4. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. je EUR 5.300 abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Parteien können die Vollstreckung hinsichtlich des Kostenausspruchs des vorliegenden Urteils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus Wettbewerbs-, hilfsweise Urheberrecht, sowie weiter aus Markenrecht auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung in Anspruch.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Automatisierungssoftware, sog. Bots, für das von der Klägerin entwickelte Computerspiel "World of Warcraft" sowie um die Zulässigkeit der Verwendung der Angaben "World of Warcraft Bot" und "WOW Bot" für die von den Beklagten angebotenen Bots "Honorbuddy" und "Gatherbuddy".

Die Klägerin ist eine US-amerikanische Computerspielentwicklerin. Sie hat das bekannte Online-Rollenspiel "World of Warcraft" entwickelt und hergestellt. Das Spiel wurde am 23.11.2004 veröffentlicht (Anlage B 6); in Europa ist es seit dem 11.2.2005 im Handel. Derzeit zählt es weltweit 11 Millionen Abonnenten, davon 2 Millionen in Europa (Anlage K 1). Die Klägerin ist als Inhaberin des Copyrights bzgl. der Spielsoftware registriert (Anlage K 3). Die Vertriebsrechte für Europa hält eine indirekte Tochtergesellschaft der Klägerin, die Fa. B. E. SAS (Frankreich). Die B. E. SAS hat die Klägeri...

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