Entscheidungsstichwort (Thema)
Kanalgebühren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Schiffsgläubigerrechte gem. § 102 BinSchG erfassen nicht nur Forderungen gegen den Schiffseigner oder den Schiffsausrüster.
2. Das Schiffsgläubigerpfandrecht gem. §§ 103 Abs. 2, 102 Nr. 1 und 3 BinSchG geht bei Zahlung eines Gesamtschuldners auf diesen über (§ 426 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1257, 1250 BGB). Der mit diesen Vorschriften verfolgte Zweck, bestimmte, vor allem öffentliche Forderungen in besonderer Weise zu schützen, führt nicht dazu, dass die Befriedigung des Gläubigers durch einen Gesamtschuldner zum Erlöschen des Pfandrechts führt.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen 403 HKO 67/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg vom 10.11.2011 - 403 HKO 67/11, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist ebenso wie das Urteil des LG Hamburg vom 10.11.2011 - 403 HKO 67/11 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.787,44 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um das Bestehen und den Übergang eines Schiffsgläubigerrechts.
Die Klägerin ist Kanalagentin im Nord-Ostsee-Kanal und übernimmt bei entsprechender Beauftragung die Abwicklung der öffentlichen Abgaben und Begleichung der öffentlichen Forderungen. Hierzu hat sie eine Vereinbarung mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord, nach der die Klägerin die Abgabeforderungen der Schiffe, für die sie mit der Klarierung beauftragt wurde, direkt an die Öffentliche Hand zahlt und hierzu gesamtschuldnerisch den Abgabeforderungen beitritt.
Die Beklagte ist im Schiffregister (Anlage K 1) eingetragene Eigentümerin der TMS "Tom Burmester". Die Beklagte hat das Schiff mit Bareboat-Charter-Vertrag vom 10.9.2010 zum 15.9.2010 an die B. Luxemburg S.A.R.L. verchartert (Anlage B 1). Bereits zuvor hatte die B. er Luxemburg S.A.R.L. das Schiff mit Zeitchartervertrag vom 8.6.2010 (Anlage B 4) der O. GmbH, Hamburg, überlassen. Letztere wird in den Anmeldungen nach § 43 SeeSchStrO für den Nord-Ostsee-Kanal als Zahlungspflichtige aufgeführt (Anlagen B 3, B 5 und B 6).
Die Klägerin wurde von der Fa. O. GmbH, Hamburg, am 6.11.2010, 13.11.2010, 24.11.2010, 11.12.2010 und 17.12.2010 mit der Klarierung und der Veranlassung aller erforderlichen Maßnahmen für die Kanalfahrt der TMS "Tom Burmester" beauftragt. Die von der Klägerin erbachten Zahlungen für Abgaben (insb. für Lotsen), Kanal- und Hafengebühren sowie Liegegebühren, beliefen sich auf EUR 6.787,44 (Anlagenkonvolut K 3).
Die Beklagte wurde mit Schreiben der Klägerin vom 10.3.2011 (Anlage K 5) zur Zahlung von EUR 6.787,44 bis zum 31.3.2011 aufgefordert, hiernach mandatierte die Klägerin ihren Bevollmächtigten, der die Beklagte nochmals zur Zahlung zur Abwendung der Vollstreckung in das Schiff aufforderte (Anlagen K 4 und K 6). Ein Antwortschreiben der B. Luxemburg S.A.R.L. vom 21.3.2011 bezog sich auf die Schiffe "Eckhard Burmester" und "Heinrich Burmester" (Anlagen B 8 und B 9) und verwies die Klägerin insoweit an die Fa. O. GmbH.
Die Klägerin vertrat in erster Instanz die Auffassung, dass § 426 Abs. 2 BGB auch anwendbar sei, wenn das Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger öffentlich-rechtlich ist. Das Pfandrecht nach den §§ 102, 103 BinSchG gehe nach den §§ 426 Abs. 2, 412, 401 Abs. 1, 1257, 1249, 1250 BGB ebenfalls auf die Klägerin über. Schuldner des Schiffsgläubigerrechts sei immer der Eigner bzw. Ausrüster, dieser müsse nicht Vertragspartner sein. Ein Schiffsgläubigerrecht erlösche jedenfalls dann nicht, wenn ein Dritter, der nicht Schuldner ist, den Gläubiger befriedigt. Zudem hätte die Beklagte vorgerichtlich nicht mitgeteilt, dass ein Ausrüster existiere, so dass sie sich jedenfalls nach Treu und Glauben als Schiffseigner behandeln lassen müsse.
Die Beklagte vertrat erstinstanzlich die Auffassung, sie sei als nur sachenrechtliche Eigentümerin nicht passiv legitimiert. Dies seien nur diejenigen, die das Schiff auch verwendeten. Vertragspartner sei die O. GmbH, die für die Klarierungskosten in Anspruch genommen werden müsse. Darüber hinaus setze § 102 BinSchG voraus, dass ein Anspruch gegen den Schiffseigner/Ausrüster bestehe, die O. GmbH sei als bloßer Zeitcharterer nicht umfasst, so dass ein Pfandrecht erst gar nicht entstehen könne. Zudem sei das Schiffsgläubigerrecht aufgrund der strengen Akzessorietät durch die Zahlung der Klägerin an die zuständigen Stellen erloschen, § 102 BinSchG sei als gesetzliches Pfandrecht nicht nach § 426 Abs. 2 BGB übertragbar und auch nicht analog anwendbar. Geschützt werde durch § 102 BinSchG allein die Befriedigung der öffentlichen Hand, einer weiteren Sicherung bedürfe es nicht. Auch sei die Klägerin, da sie als Gesamtschuldnerin für die Forderungen hafte, nicht Dritte, so dass die Forderungen nicht nach den § 1257, 1249, 1250 BGB übergeh...