Leitsatz (amtlich)
Wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen in der Weise beeinträchtigt wird, dass ältere, ursprünglich einmal rechtmäßig in das Internet eingestellte Beiträge in einem Internetarchiv nach Erlöschen eines allgemeinen öffentlichen Interesses an den berichteten Vorgängen weiterhin zum Abruf bereitgehalten werden, kann dem Betroffenen gegen den Betreiber des Internetarchivs ein Anspruch darauf zustehen, es zu unterlassen, diese Beiträge in der Weise zum Abruf bereitzuhalten, dass sie durch Eingabe des Namens des Betroffenen in Internet-Suchmaschinen von diesen aufgefunden werden.
Für das Entstehen der Verantwortlichkeit des Betreibers des Internetforums für derartige Beiträge gelten die für die Verantwortlichkeit der Betreiber von Internetforen entwickelten Grundsätze.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 30.03.2012; Aktenzeichen 324 O 9/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hamburg vom 30.3.2012 - 324 O 9/12, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,
die den Namen des Klägers enthaltenden Beiträge "..." vom 25.3.2011, "..." vom 19.10.2011, "..." vom 1.2.2010 oder "..." vom 8.3.2010 auf dem Internetauftritt der Beklagten in der Weise zum Abruf bereitzuhalten, dass diese Beiträge durch Eingabe des Namens des Klägers in Internet-Suchmaschinen von diesen aufgefunden und in den Ergebnislisten ausgewiesen werden.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsausspruchs gegen Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 10.000 vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss: Der Wert wird für das Berufungsverfahren unter Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 4.11.2014 festgesetzt auf EUR 60.000,00.
Gründe
I. Der Kläger verfolgt mit seiner Klage einen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung von ihn betreffenden Äußerungen über das Internet weiter.
Der Kläger ist als Kommunikationsberater tätig. Die Beklagte ist Verleger der überregionalen Tageszeitung "..." und betreibt den zu der Zeitung gehörenden Internetauftritt www.[...].de. Hier hält die Beklagte neben aktuellen Tagesmeldungen auch Berichterstattung aus weiter zurückliegenden Zeiträumen in einem sog. Archiv zum Abruf bereit. Über dieses Archiv sind mehrere Artikel aus den Jahren 2010 und 2011 kostenfrei abrufbar, welche die Einleitung, den Verlauf, sowie die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ... gegen den Kläger unter dem Az ..., sowie auch Reaktionen Dritter auf die Verfahrenseinstellung zum Gegenstand haben, so die Artikel "..." vom 1.2.2010 (Anlage K 13), "..." vom 8.3.2010 (Anlage K 10), "..." vom 25.3.2011 (Anlage K 12) und "..." vom 19.10.2011 (Anlage K 11).
Dem Kläger war aufgrund einer Strafanzeige des Politikers C. vorgeworfen worden, an diesen anonyme Telefaxschreiben beleidigenden und verleumderischen Inhalts gesendet zu haben. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, um das es in der Berichterstattung geht, wurde im Einvernehmen mit dem Kläger gegen Zahlung von EUR 40.000 nach § 153a StPO am 23.3.2011 endgültig eingestellt. Dabei wurden die konkreten Umstände der Einstellung des Verfahrens in der Tagespresse kritisiert und kommentiert. Der Kläger hatte zunächst einzelne Äußerungen, die in den Beiträgen enthalten waren, beanstandet. Daraufhin hat die Beklagte die beanstandeten Passagen auf ihrem Internetauftritt geändert. Nachdem das gegen ihn gerichtete Strafverfahren eingestellt worden ist, beanstandet der Kläger nunmehr, dass die Beklagte überhaupt noch eine jederzeit über das Internet abrufbare Berichterstattung über die betreffenden Vorgänge zugänglich hält. Die Beiträge sind über Suchmaschinen zu finden, indem der Name des Klägers in das Suchfenster eingegeben wird. Auch nach 2012 wiesen bei Eingabe des Namens des Klägers in die Suchmaschine "Google" die ersten drei Suchergebnisse (Anlage K 8) auf eine Seite aus dem Internetauftritt der Beklagten hin, von dem aus die Beiträge aufgerufen werden können (Anlage K 9; Anlage BK 2): Auf dieser Einstiegsseite erscheinen die Überschriften der genannten vier Beiträge und Fragmente aus diesen, ohne dass die Einträge auf dieser Einstiegsseite datiert wären. Mit Schreiben vom 20.9.2011 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, die streitgegenständliche Berichterstattung zu unterlassen oder zumindest mit einem Hinweis auf die zwischenzeitig er...