Leitsatz (amtlich)

1. Die ohne Einwilligung vorgenommene Veröffentlichung eines Bildnisses in einer Werbeanzeige kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten auch dann verletzen, wenn die Werbeanzeige den Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit genießt.

2. Gegenüber der Bereicherungshaftung wegen unautorisierter Bildnisveröffentlichung greift der Einwand, dass der Abgebildete seine Zustimmung zur konkreten Veröffentlichung nicht erteilt hätte, nicht durch.

3. Dem Bereicherungsanspruch eines ohne Einwilligung in einer Werbeanzeige abgebildeten Bundesministers steht das Berufs- und Gewerbeverbot des Art. 66 GG nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 09.01.2004; Aktenzeichen 324 O 554/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.10.2006; Aktenzeichen I ZR 182/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 24, vom 9.1.2004 - Geschäftsnummer 324 O 554/03 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 u. 2 ZPO)

1. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte verurteilt, an den Kläger wegen der Verwendung seines Bildnisses in einer Werbeanzeige eine fiktive Lizenz i.H.v. 100.000 Euro zu zahlen.

Der Kläger trat am 11.3.1999 von seinen Ämtern als Bundesminister der Finanzen und als Vorsitzender der SPD zurück. Die Beklagte betreibt als eine Konzerntochter des Autovermieters ... AG das Fahrzeug-Leasing-Geschäft. Sie schaltete in der "Welt am Sonntag" vom 21.3.1999 halbseitig eine Werbeanzeige, die Portraitaufnahmen von 16 Mitgliedern des damaligen Bundeskabinetts einschließlich des zurückgetretenen Klägers zeigt, wobei das Bild des Klägers, der weiterhin erkennbar bleibt, als einziges mit einem weißen "X" durchgestrichen ist. In der unteren Hälfte der Anzeige befindet sich der Text "... verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit", in der oberen rechten Ecke das Logo "... rent a car": Die gleiche Anzeige erschien doppelseitig in der "Frankfurter Allgemeine" vom 22.3.1999. Wegen Einzelheiten hinsichtlich des Inhalts und der Gestaltung der Anzeige wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Die Beklagte bekämpft die Verurteilung mit der form- und fristgemäß eingereichten Berufung und macht dabei geltend, dass sie nicht in eine geschützte Rechtsposition des Klägers eingegriffen habe. Bei der Verwendung eines Bildes sei ein materieller Ausgleich grundsätzlich nur in Fällen geschuldet, in denen die Erlaubnis zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild üblicherweise von der Zahlung eines Entgelts abhängig gemacht werde. Dies sei bei Personen, die ihre Bildnisse grundsätzlich nicht kommerziell nutzten, nicht gegeben. Zu Unrecht habe das LG die Frage der Vermarktungsbereitschaft des Klägers offen gelassen und nicht festgestellt, dass der Kläger bereit gewesen wäre, sein Bild für die streitgegenständliche satirisch-spöttische Anspielung auf seinen Rücktritt zur Verfügung zu stellen. Ein Ausgleichsanspruch scheide ferner aus, wenn der Abschluss eines Lizenzvertrages gegen § 134 BGB verstieße oder die Kommerzialisierung des Bildes i.S.v. § 138 BGB sittenwidrig wäre. Da die streitgegenständliche Anzeige nicht etwa auf den Kläger als Privatmann, sondern auf sein früheres Ministeramt anspiele, scheitere die Annahme einer kommerzialisierbaren und daher ausgleichspflichtigen Vermögensposition des Klägers bereits daran, dass er allein schon aus Gründen des Anstands und der Sittlichkeit nicht mit seinem Amt hätte werben dürfen. Auch Art. 66 GG verbiete ein gewerbliches Tätigwerden von Bundesministern nicht ohne Grund, sondern gerade wegen der sittlichen Unvereinbarkeit von Amt und Kommerz, auch um eine sachfremde Beeinflussung und Belastung des dem öffentlichen Interesse dienenden Amtes zu verhindern. Da die Rücktrittserklärung des Klägers nur wenige Tage vor dem Erscheinen der Anzeige erfolgt und dem Kläger die Entlassungsurkunde noch nicht ausgehändigt worden sei, hätte es die Würde des noch innegehabten Amtes dem Kläger verboten, dieses Amt kommerziell "auszuschlachten". Zudem hätte die werbliche Vermarktung seines Bildes wegen der Möglichkeit einer unsachlichen Beeinflussung der Kaufentscheidung des Kunden auch gegen § 1 UWG verstoßen.

Jedenfalls sei die Benutzung des klägerischen Bildes gerechtfertigt. Die Werbeanzeige enthalte eine in die Form der Satire gegossene politische Äußerung, nämlich die ironische Gleichsetzung der Bundesminister mit "Mitarbeitern in der Probezeit" und den kritischen Spott über die rasche Amtsaufgabe des Klägers. Demgemäß enthalte die Anzeige nicht nur Werbung, sondern auch eine durc...

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