Leitsatz (amtlich)
1. Da die Gestaltung redaktioneller Beiträge im eigenen Verantwortungsbereich des Presseorgans liegt, kann grundsätzlich aus deren Aufmachung in der Regel keine wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens hergeleitet werden, über dessen Produkte berichtet wird, so dass insoweit grundsätzlich ein Prüfungsvorbehalt entfällt. Ein solcher Vorbehalt ist mit Blick auf die grundsätzliche Eigenverantwortung der Presse nur ausnahmsweise geboten und kann in Betracht kommen, wenn zum Beispiel nach Art und Inhalt eines Interviews und/oder bei Berücksichtigung der Gegebenheiten auf Seiten des Adressaten die Möglichkeit eines Berichts mit werbendem Charakter nicht ganz fernliegt (Anschluss an: BGH, GRUR 1997, 541, Rn. 23 - Produkt-Interview).
2.Der Umstand, dass ein Unternehmen eine ihr Produkt betreffende Pressekonferenz abhält, genügt auch dann nicht, um eine Mitverantwortlichkeit des Unternehmens für einen später erscheindenden redaktionellen Beitrag in einem Presseorgan wegen konkret angegriffener Aussagen zu begründen, wenn die Presse auf vom Unternehmen zur Verfügung gestelltes Pressematerial zurückgreift, die angegriffenen Teile des Presseabeitrages aber nicht mit den Werbematerialien des Unternehmens übereinstimmen und auch nicht erkennbar ist, dass das Unternehmen etwa in Form einer Freigabe oder der Möglichkeit der Durchsicht des Pressebeitrags Einfluss auf dessen Inhalt hätte nehmen können.
3. Die Angabe, ein Medizinprodukt verhindere auf eine näher bestimmte Weise eine erneute Vaginalinfektion und das Wachstum schädlicher Mikroorganismen, ist nach den Umständen des Einzelfalls geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass ein erneutes Auftreten einer vaginalen Infektion tatsächlich verhindert werden kann. In einem solchen Fall ist die Werbeangabe nach § 3 S. 1, 2 Nr. 2 a) HWG unzulässig, weil sie fälschlich den Eindruck erweckt, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann.
4. Die Angabe, ein Medizinprodukt könne dazu beitragen, ein erneutes Auftreten einer Infektion zu verhindern, ist nach den Umständen des Einzelfalls auch mit Blick auf die Einschränkung (kann dazu beitragen) kein sicheres Wirkversprechen, wenn im konkreten Einzelfall noch hinreichend deutlich wird, dass das Produkt lediglich einen Beitrag zur Verhinderung einer Neuinfektion leisten kann und damit ein Behandlungserfolg nicht zwingend eintreten muss.
Normenkette
HWG § 1 Abs. 1 Nr. 1a, § 3 S. 2 Nr. 1; MessEG § 43 Abs. 2; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 07.10.2016; Aktenzeichen 416 HKO 122/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7.10.2016, Az. 416 HKO 122/16, dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung weitergehend verurteilt wird, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
geschäftlich handelnd für das Medizinprodukt K.* Vaginalkapseln mit der Aussage zu werben und/oder werben zu lassen
"Auf diese Weise verhindern K.* Vaginalkapseln eine erneute Infektion und das Wachstum schädlicher Mikroorganismen.",
wenn dies geschieht wie auf der Homepage von K.* Vaginalkapseln abrufbar unter der URL http://www.k....de/de/intimgesundheit/produkte/K...-K.-vaginalkapseln/ ?back_page_id=99 (Anlage AS 25).
Im Übrigen wird die Berufung der Antragstellerin zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7.10.2016, Az. 416 HKO 122/16, abgeändert. Soweit der Antragsgegnerin mit Ziffer I. 1. j) des Tenors verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr für das In-vitro-Diagnostikum K-test Vaginaler Selbsttest mit der Aussage "Selbsttest zur Unterscheidung zwischen Scheidenpilzinfektion und bakterieller Vaginose*" zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie auf der Vorderseite des Apothekenaufstellers K.* (Anlage AS 13), wird die einstweilige Verfügung unter Zurückweisung des ihr zu Grunde liegenden Antrags aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragstellerin zu 29% und die Antragsgegnerin zu 71%. Die Kostenentscheidung des Landgerichts wird dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin 25% und die Antragsgegnerin 75% der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Antragstellerin vertreibt unter der Dachmarke "V.", die Antragsgegnerin unter der Dachmarke "K." Produkte zur Erkennung und Behandlung von Scheideninfektionen.
Die Antragstellerin wendet sich - soweit noch für das Berufungsverfahren von Relevanz - gegen werbende Aussagen der Antragsgegnerin zu dem In-vitro-Diagnostikum K-test.* Vaginaler Selbsttest (nachfolgend K-test) und den Medizinprodukten K.-balance* Vaginalgel (nachfolgend K.-balanc...