Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermutung einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung bei Kenntnis des Schuldners von seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit. Erforderlichkeit der Einreichung einer Liquiditätsbilanz i.R.e. Anfechtungsprozesses zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit. Vermutung der Existenz mehrerer Gläubiger bei einem gewerblich tätigen Schuldner. Fortdauer einer einmal gewonnenen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners bei zwischenzeitlichen Zahlungen durch den Schuldner

 

Normenkette

InsO § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1 Sätze 1-2, § 142 Abs. 1, § 143 Abs. 1 S. 1; ZPO § 142 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Entscheidung vom 13.08.2009; Aktenzeichen IX ZR 159/06)

LG Hamburg (Urteil vom 12.01.2007; Aktenzeichen 303 O 209/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 3, vom 12. Januar 2007 weiter abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger – über die ihm bereits mit Urteil des Senats vom 14. März 2008 rechtskräftig zuerkannten 61.953,47 EUR hinaus – weitere 76.919,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2006 zu zahlen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leiste.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche gegen die Beklagte aus Insolvenzanfechtung geltend, wobei nunmehr noch Beträge in Höhe von 76.919744 EUR streitgegenständlich sind.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxx im Folgenden: Schuldnerin). Die Beklagte ist eine Krankenkasse, bei der Arbeitnehmer der Schuldnerin sozialversichert waren.

Die Schuldnerin geriet ab April 2003 mit der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Rückstand. Die Lastschrift über die am 15. April 2003 fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträge für März 2003 in Höhe von 32.939,74 EUR wurde nicht eingelöst. Unter dem 24. April 2003 richtete die Schuldnerin ein Schreiben (Anlage K 2) an die Beklagte, in welchem es u.a. heißt:

„wie gestern schon telefonisch … mitgeteilt, ist die Lastschrift für unseren Beitrag für März 2003 in Höhe von 32.939,74 EUR leider nicht gutgeschrieben worden.

Wir bedauern dieses sehr, sind aber aufgrund eigener hoher Außenstände zur Zeit in einem Liquiditäts-Engpass.

Da wir in den nächsten Wochen einige Geldeingänge erwarten, bitten wir hiermit um Ratenzahlung in folgender Höhe:

  1. EUR 8.939,74 am 30.04.2003
  2. EUR 8.000,00 am 07.05.2003
  3. EUR 8.000,00 am 14.05.2003
  4. EUR 8.000,00 am 21.05.2003

Da wir bisher immer! pünktlich unsere Beiträge gezahlt haben, bitten wir diesem Antrag stattzugeben …”.

Am 28. April 2003 kam es zu einem Telefonat zwischen der Schuldnerin und der Beklagten, in welchem vereinbart wurde, dass die Arbeitnehmeranteile per Scheck sofort und der Rest in maximal drei Monatsraten oder – wenn möglich – früher gezahlt werden sollten (vgl. handschriftlichen Vermerk auf dem Schreiben gemäß Anlage K 2). Bestätigt wurde diese Zahlungsvereinbarung von der Schuldnerin durch Schreiben vom 29. April 2003 (Anlage K 3), in welchem es u.a. heißt:

„hinsichtlich der für den Beitragsmonat März nicht ausgeführten Lastschrift über EUR 32.939,74 haben Sie am 28.04.2003 mit dem Unterzeichner dieses Schreibens nachstehende Zahlungsvereinbarung getroffen.

Dementsprechend erhalten Sie in der Anlage einen Scheck über die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge für März 2003 in Höhe von 16.939755 EUR (3/6 Beitragsteile). Ihrem Rat folgend werden wir den Restbetrag für März 2003 ebenfalls per Scheck in 3 gleichen monatlichen Raten von EUR 5333,33 und zwar jeweils am

15.05.2003 EUR 5333,33 (1/6 Beitragsteil),

15.06.2003 EUR 5333,33 (1/6 Beitragsteil) und

15.07.2003 EUR 5333,33 (1/6 Beitragsteil) begleichen.

Die fortlaufenden Monatsbeiträge werden Sie bitte wie bisher gemäß der Ihnen vorliegenden Lastschriftvereinbarung von unserem Konto bei der xxx bank abbuchen. …”.

Diesem Schreiben war ein Scheck über 16.939,75 EUR beigefügt, der am 5. Mai 2003 gutgeschrieben wurde. Auch die Beklagte bestätigte die Stundung der restlichen 15.999.99 EUR mit Schreiben vom 13. Mai 2003 (Anlage K 4). Am 15. Mai 2003 übersandte die Schuldnerin einen Scheck über 5.333,33 EUR als erste Rate für den restlichen März-Beitrag 2003 (Anlage K 5). Am 16. Juni 2003 (einem Montag) wurde die zweite Rate i.H.v. 5.333,33 EUR gezahlt. Am 15. Juli 2003 übersandte die Schuldnerin einen Scheck über 5.333,33 EUR (letzte Rate für März 2003), der am 22. Juli 2003 gutgeschrieben wurde.

Die Lastschrift der am 15. Mai 2003 fälligen Beiträge für April 2003 in Höhe von 32.465,76 EUR wurde termingerecht eingelöst.

Hinsichtlich der am 15. Juni 2003 fälligen Beiträ...

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