Normenkette

BGB §§ 133, 157, 307 Abs. 3, § 488 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 04.12.2020; Aktenzeichen 318 O 368/19)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.06.2023; Aktenzeichen XI ZR 117/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 04.12.2020, Az. 318 O 368/19, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 180.720,65 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a.

aus EUR 922,80 seit dem 24.03.2016

aus EUR 21.597,37 seit dem 24.09.2016,

aus EUR 31.453,33 seit dem 24.03.2017

aus EUR 36.625,50 seit dem 24.09.2017

aus EUR 42.582,80 seit dem 24.03.2018

aus EUR 47.538,85 seit dem 24.09.2018

zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin weitere EUR 180.720,65 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a.

aus EUR 922,80 seit dem 24.03.2016

aus EUR 21.597,37 seit dem 24.09.2016,

aus EUR 31.453,33 seit dem 24.03.2017

aus EUR 36.625,50 seit dem 24.09.2017

aus EUR 42.582,80 seit dem 24.03.2018

aus EUR 47.538,85 seit dem 24.09.2018

zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf EUR 361.441,30 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin als Darlehensnehmerin zweier - inzwischen beendeter - variabel verzinster Schuldscheindarlehen Zahlungsansprüche für den Zeitraum zustehen, in dem die vereinbarten Zinsgleitklauseln mathematisch einen negativen Wert ergeben.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Auslegung der jeweiligen Zinsgleitklauseln ergebe, dass keine Zahlungsverpflichtung der Beklagten im Fall eines negativen Zinses bestehe. Bei den Zinsgleitklauseln handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin, die nach Maßgabe eines objektiven Durchschnittskunden der Klägerin auszulegen seien. Die Parteien hätten den Mindestzins in den jeweiligen Zinsgleitklausel stillschweigend auf null festgelegt. Sie hätten Darlehensverträge nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB geschlossen, das nach der Auszahlung der Darlehensvaluta keine Zahlungspflicht des Darlehensgebers mehr vorsehe.

Gegen das Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin.

Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag behauptet die Klägerin, sie hätte die Zinsgleitklausel nicht einseitig vorgegeben, sondern die Parteien hätten die Höhe des Zinsabschlags ausgehandelt. Ferner handele die Beklagte im Aktivgeschäft als Intermediärin, weil sie ihren Ertrag über eine Marge zwischen Aktivgeschäft und Refinanzierung erwirtschafte. In Zeiten eines Negativzinses erhalte die Beklagte auf der Refinanzierungsseite ebenfalls einen Negativzins.

Sie meint, ihr stünde aufgrund der Vereinbarung in den Schuldscheinen ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu, wenn der 6-Monats-EUR-LIBOR unter 0,03 % notiere oder negativ sei. Dafür sprächen der Wortlaut der Zinsgleitklauseln, die Parteiinteressen und der Vertragszweck. Bei der Zinsgleitklausel handele es sich nicht um AGB, weshalb die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB anhand des objektiven Empfängerhorizonts zu erfolgen habe. Indem die Parteien den Zins an den 6-Monats-EUR-LIBOR gekoppelt hätten, ohne eine Ober- (Cap) oder Untergrenze (Floor) zu vereinbaren, hätten sie zum Ausdruck gebracht, dass im Fall eines negativen Zinses, die Klägerin für die Abnahme des Kapitals zu vergüten sei. Durch Abschluss der streitgegenständlichen Zinsgleitklausel habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, sich zum 6-Monats-EUR-LIBOR refinanzieren zu können. Ein Floor bei 0 % würde die Marge der Beklagten im Niedrigzinsumfeld ungerechtfertigt erhöhen und das Äquivalenzverhältnis zwischen den Parteien entgegen den Parteiinteressen stören.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des am 04.12.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Aktenzeichen 318 O 368/19:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 180.720,65 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen, aus

EUR 922,80 seit dem 24.03.2016

EUR 21.597,37 seit dem 24.09.2016,

EUR 31.453,33 seit dem 24.03.2017

EUR 36.625,50 seit dem 24.09.2017

EUR 42.582,80 seit dem 24.03.2018

EUR 47.538,85 seit dem 24.09.2018

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 180.720,65 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen, aus

EUR 922,80 seit dem 24.03.2016

EUR 21.597,37 seit dem 24.09.2016,

EUR 31.453,33 s...

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