Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung eines Vermittlers von Radiowerbezeiten - Radio Cottbus II

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine bundeslandweite Hörfunksendelizenz sagt nichts darüber aus, ob der Hörfunksender tatsächlich im gesamten (Flächen-) Bundesland empfangen werden kann. Eine gleichmäßige Verteilung der Hörer eines Senders über das Gesamtgebiet eines (Flächen-) Bundeslands kann damit ebenfalls nicht gewährleistet werden, und eine solche Verteilung spielt neben der reinen Hörerzahl für die Vermarktung von Hörfunkwerbezeiten an überregional Werbetreibende auch keine Rolle. Daher ist das Kriterium einer bundeslandweiten Hörfunklizenz kein sachlich gerechtfertigter Grund im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB für die Nichtaufnahme eines Hörfunksenders in eine von einem markbeherrschenden Unternehmen gebildete Kombination, mit welcher die Hörfunkwerbezeiten unterschiedlicher Sender gebündelt gegenüber überregional Werbetreibenden vermarktet werden.

2. Ein Alternativkriterium (hier: technische Erreichbarkeit von 50% der Wohnbevölkerung eines Bundeslandes), welches das marktbeherrschende Unternehmen nur in Bundesländern anwendet, in denen keine landesweiten Hörfunklizenzen vergeben werden, kann gegenüber einem Sender aus einem der anderen Bundesländer nicht hilfsweise herangezogen werden.

3. Eine Klage in Prozessstandschaft hemmt die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB jedenfalls auch dann, obwohl die Voraussetzungen einer wirksamen Prozessstandschaft bei Klagerhebung noch nicht sämtlich vorlagen, wenn die Prozessstandschaft in unverjährter Zeit offengelegt wird.

 

Normenkette

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 242; GWB § 18 Abs. 4, § 19 Abs. 1-2, §§ 33, 33a; ZPO § 51 Abs. 1, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 07.09.2016; Aktenzeichen 408 HKO 162/13)

 

Tenor

I. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. September 2016, Az. 408 HKO 162/13, abgeändert und

1. festgestellt, dass der Städtekombi Brandenburg GbR gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Aufnahme in die von der Beklagten zu 1) vermarktete Radio-Kombination RMS SUPER KOMBI zur Vermarktung zu marktüblichen Konditionen und unter Anwendung der kombinationsüblichen Verteilungsschlüssel der Werbeeinnahmen in dem Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2018 zustand;

2. die Beklagte zu 1) verurteilt, der Städtekombi Brandenburg GbR Auskunft zu erteilen über den Betrag, der der Städtekombi Brandenburg GbR zustünde, wenn sie ab dem 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2018 von der Beklagten zu 1) als Städtekombi Brandenburg in die von der Beklagten zu 1) vermarktete ehemalige Beklagte zu 2) sowie die RMS SUPER KOMBI zu marktüblichen Konditionen und unter Anwendung der kombinationsüblichen Verteilungsschlüssel der Werbeeinnahmen aufgenommen worden wäre;

3. festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Städtekombi Brandenburg GbR den Betrag auszuzahlen, der der Städtekombi Brandenburg GbR zustünde, wenn sie ab dem 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2018 von der Beklagten zu 1) als Städtekombi Brandenburg in die von der Beklagten zu 1) vermarktete ehemalige Beklagte zu 2) sowie die RMS SUPER KOMBI zu marktüblichen Kombinationen und unter Anwendung der kombinationsüblichen Verteilungsschlüssel der Werbeeinnahmen aufgenommen worden wäre.

II. Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich wie folgt:

1. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerinnen die außergerichtlichen Kosten der ehemaligen Beklagten zu 2) vollständig sowie 12,8% der Gerichtskosten. Die Beklagte zu 1) trägt 87,2% der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre Kosten selbst.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen die außergerichtlichen Kosten der ehemaligen Beklagten zu 2) vollständig sowie 11,8% der Gerichtskosten. Die Beklagte zu 1) trägt 88,2% der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre Kosten selbst.

3. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte zu 1).

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen und Berufungsbeklagten (fortan: "Klägerinnen") betreiben private Lokalradiosender in Brandenburg, und zwar die Klägerin zu 1) den Sender "Radio Cottbus" und die Klägerin zu 2) das "Radio Potsdam 89.2", deren Verbreitungsgebiet jeweils Stadt und Umland erfasst. Die Klägerinnen sind verbundene Unternehmen der T. R. G. GmbH (fortan: "R. G."). Sie haben sich mit weiteren Betreibern von Radiosendern zur Vermarktung ihrer Hörfunkwerbezeiten zur Städtekombi Brandenbu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge