Leitsatz (amtlich)
1. Beim EU-Parallelimport markenrechtlich geschützter Arzneimittel kann sich der Markeninhaber dem unautorisierten Umpacken in eine neu hergestellte äußere Umverpackung (hier: Faltschachtel) widersetzen (§ 24 MarkenG), weil die betreffende Packungsgröße durch Bündeln von überklebten kleineren Packungen erstellt werden kann.
2. Weder aus dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens noch aus dem der Verwirkung (§ 242 BGB) steht der Unterlassungsklage der Umstand entgegen, dass der Markenhersteller (Kläger) in der Vergangenheit ggü. dem beklagten Parallelimporteur Bündelpackungen beanstandet und statt dessen neu hergestellte Umverpackungen hingenommen hat. Eine insoweit etwa stillschweigend erteilte Markenlizenz wäre angesichts der Abmahnung und der durch den Prozess verstrichenen Zeit wirksam gekündigt.
Normenkette
BGB § 242; MarkenG §§ 14, 24
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 01.07.2003; Aktenzeichen 312 O 154/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, v. 1.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 159.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, ein Pharmaunternehmen, vertreibt u.a. das Arzneimittel "NIRIP".
Die Beklagte ist Parallelimporteurin und vertreibt in Deutschland das Arzneimittel "NIRIP" in einer von ihr neu hergestellten äußeren Umverpackung (Faltschachtel) zu 100 Tabletten. Hierfür importiert sie aus Griechenland das dort vom Konzern der Klägerin in Verkehr gebrachte "NIRIP" in Packungen zu 20 Tabletten und packt das Arzneimittel um.
Die Klägerin beanstandet die Verwendung der neuen äußeren Umverpackung - statt Originalpackungen zu bündeln - als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch.
Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Marke "NIRIP" Nr. 3.., eingetragen für "ein pharmazeutisches Produkt" (Klagemarke - Anlage K 1).
Die Beklagte hatte im Jahre 1997 parallelimportiertes "NIRIP" zu 100 Tabletten als Bündelpackung (bestehend aus fünf griechischen Originalpackungen) in Deutschland vertrieben. Die Klägerin hatte die Bündelpackung als unordentlich beanstandet und die LOLO-Pharma Vertriebs GmbH (im Folgenden: die LOLO-Pharma) mit Anwaltsschreiben v. 2.6.1997 u.a. deswegen abgemahnt (Anlage B 1, S. 7: "5. NIRIP 100 Tabletten"). Die LOLO-Pharma ist im Mitvertrieb zusammen mit der Beklagten als Parallelimporteurin tätig. Die der Abmahnung beigefügte vorgeschlagene Verpflichtungserklärung, es zu unterlassen, "Arzneimittel nach Deutschland einzuführen und je 2 oder mehr Packungen zu einer 'Großpackung' zusammenzufassen und in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben, wenn diese 'Großpackungen' in der Weise gestaltet werden, dass 2 oder mehr Original-Verpackungen übereinandergestapelt und dieser Stapel mit einem Klebestreifen zusammengefügt wird - (vgl. Anlage B 1 nach dem Abmahnschreiben, dort 1. Spiegelstrich); haben die Beklagte bzw. die LOLO-Pharma nicht abgegeben. Statt dessen hat die LOLO-Pharma mit Schreiben v. 9.6.1997 für sich und die Beklagte folgendes mitteilen lassen:
"Die von Ihnen monierte Bündelpackung mit 5 Originalpackungen werden wir künftig nicht mehr einsetzen. Auch insoweit erhalten Sie als Anlage eine Kopie der neuen Euro Packung. Wir werden die Europackungen in den Packungsgrößen 50 und 100 Tabletten einsetzen" (Anlage K 2, dort S. 4 "5. NIRIP"; vgl. dazu die beigefügte Kopie der Faltschachtel: Anlage B 4).
In diesen sog. "Europackungen" - damit sind von den Parallelimporteuren selbst hergestellte äußere Umverpackungen gemeint - wurde daraufhin das aus Griechenland stammende Arzneimittel "NIRIP" von der Beklagten (und von LOLO-Pharma) vertrieben. Mit Schreiben v. 9.11.2000 zeigte die Beklagte den Vertrieb des aus Griechenland parallelimportierten Arzneimittels "NIRIP" zu 100 Tabletten in einer veränderten Gestaltung der "Europackung" an (Anlage B 2, dazu das Packungsfoto: Anlage B 5, dort S. 2).
Mit Schreiben v. 25.9.2002 teilte die Beklagte die erneute Abänderung ihrer " Europackung" von "NIRIP" 100 Tabletten aus Griechenland mit (Anlage B 5, dort S. 3). Daraufhin kam es zu dem Schriftwechsel der Parteien vor diesem Rechtsstreit (Anlagen K 4-7).
Die Klägerin hat vorgetragen:
Die Beklagte verletze ihre (der Klägerin) Rechte an der Klagemarke. Das Umpacken des aus Griechenland parallelimportierten Arzneimittels "NIRIP" zu 100 Tabletten sei nicht erforderlich, die Packungsgröße könne problemlos durch Bündeln erstellt werden. Das sei durch die BGH-Rechtsprechung erst mit der Entscheidung v. 11.7.2002 gesichert gewesen (Anlage K 8).
Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf Verwirkung berufen, sie habe schon keinen schützenswerten Bes...