Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung aus der EU parallelimportiert und umgepackt im Inland ohne Vorabinformation vertrieben, so ist eine Markenverletzung bis zur nachgeholten Vertriebsanzeige gegeben. Eine solche Anzeige ist ausreichend, wenn durch sie ein Packungsmuster angefordert werden kann. Danach tritt insoweit eine gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung des Markenrechts ein.
2. Die Auskunftspflicht über Dritte (hier: über die Lieferanten der Ware) bestimmt sich gem. § 19 MarkenG objektiv und ist demgemäß unabhängig davon gegeben, ob Verletzungsansprüche gegen die Dritten überhaupt in Betracht kommen, etwa weil die Markenverletzung erst auf einer späteren Handelsstufe erfolgt ist.
3. Für den Auskunftsantrag (ebenso für den entsprechenden Feststellungsantrag zur Schadensersatzpflicht) bedarf es zur Vermeidung der Ausforschung nur ähnlicher Verletzungsfälle einer Konkretisierung, über welche bestimmte, ohne Vorabinformation vertriebene, vom Parallelimporteur umgepackte Arzneimittelpackung Auskunft erteilt werden soll, und zwar ab dem ersten vorgetragenen konkreten Verletzungsfall.
Wird eine umgepackte Packung ohne Vorabinformation erst in einer und später in veränderter Aufmachung vertrieben, so ist der zweite Fall eine ähnliche Markenverletzung, aber keine Fortsetzung der ersten. Der Auskunftsanspruch betreffend den ersten Fall erfasst daher nicht auch die späteren Abänderungen.
Normenkette
EG Art. 28, 30; MarkenG §§ 14, 19; MarkenRL Art. 7
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 210/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 1.8.2000 abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst.
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang des Vertriebs von aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union importierten, nachstehend aufgeführten Arzneimitteln, für die die Klägerin in Deutschland Markenschutz genießt, ohne Vorabinformation der Klägerin, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich aufgeschlüsselt nach den einzelnen Arzneimitteln ergeben:
– Namen und Anschriften der Lieferanten, Liefermengen, -zeiten und -preise;
– Namen und Anschriften der Abnehmer, der Abnahmemengen und -zeiten sowie der erzielten Verkaufspreise;
– der Umsatz sowie die Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie der erzielte Gewinn, und zwar jeweils betreffend das Arzneimittel
a) ZOLADEX für die Zeit vom 31.12.1996 bis 28.12.1998 in den damals von der Beklagten vertriebenen Packungen;
b) NOVALDEX 10 für die Zeit vom 31.12.1996 bis 1.12.1999 in den Packungen, die aus Italien (30 Filmtabletten) stammten und in überklebte Originalpackungen zu 30 Filmtabletten und in neu hergestellte Packungen zu 100 Filmtabletten umgepackt wurden;
c) NOVALDEX 20 für die Zeit vom 31.12.1996 bis 1.12.1999 in den Packungen, die aus Griechenland (30 Filmtabletten) stammten und in überklebte Originalpackungen zu 30 Filmtabletten und in neu hergestellte Packungen zu 100 Filmtabletten umgepackt wurden;
d) NOVALDEX 40 für die Zeit vom 31.12.1996 bis 1.12.1999 in den Packungen, die aus England (30 Filmtabletten) stammten und in überklebte Originalpackungen zu 30 Filmtabletten und in neu hergestellte Packungen zu 100 Filmtabletten umgepackt wurden;
e) FULCIN S 500 für die Zeit vom 31.12.1996 bis 1.12.1999 in den Packungen, die aus Italien (10 Tabletten) stammten und in überklebte Originalpackungen zu 10, 30, 50 und 100 Tabletten umgepackt wurden;
f) PALUDRINE für die Zeit vom 31.12.1996 bis 1.12.1999 in den Packungen, die aus Norwegen (100 Tabletten) stammten und in überklebte Originalpackungen zu 100 Tabletten umgepackt wurden;
g) TENORETIC für die Zeit vom 31.12.1996 bis 1.12.1999 in den Packungen, die aus Österreich (50 Filmtabletten) stammten und in überklebte Originalpackungen zu 50 Filmtabletten und in neu hergestellte Packungen zu 100 Filmtabletten umgepackt wurden;
h) TENORETIC MITE für die Zeit vom 31.12.1996 bis 1.12.1999 in den Packungen, die aus Österreich (50 Filmtabletten) stammten und in überklebte Originalpackungen zu 50 Filmtabletten und in neu hergestellte Packungen zu 100 Filmtabletten umgepackt wurden.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen aus Handlungen der im Ausspruch zu Ziff. 1. gekennzeichneten Art entstandenen und/oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.203,17 Euro (= 16.044 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 30.3.2000 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage, soweit die Klägerin auf ihre Ansprüche nicht verzichtet hat, abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 129.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser H...