Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 324 O 341/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landesgerichts Hamburg vom 5. Februar 2016, Geschäftsnummer 324 O 341/15 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 u. 2 ZPO:

 

Gründe

A. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, ein Foto zu verbreiten bzw. zur Schau zu stellen und/oder verbreiten bzw. zur Schau stellen zu lassen, das den Sarg des Autors und Nobelpreisträgers G. G. im offenen Grab zeigt. Die auf dem Sarg platzierte Blechtrommel hatte der Regisseur V. S., der den weltbekannten Roman "Die Blechtrommel" von G. G. verfilmt hatte, ins Grab gegeben.

Die Klägerin ist die Witwe von G.G. Die Beklagte betreibt die Internetseite www... Dort erschien unter der URL www... mit der Überschrift "Abschied im engsten Familienkreis G. G. mit Blechtrommel beerdigt" ein Beitrag, der das streitgegenständliche Foto des offenen Grabes von G. G. am Tag seiner Beerdigung enthielt. Dieser Beitrag war jedenfalls am 29. April 2015 abrufbar. In dem Beitrag wird der Regisseur V. S. zitiert. Von V. S. stammt auch das streitgegenständliche Foto des offenen Grabes. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berichterstattung wird auf Anlage K 2 Bezug genommen.

Der Beerdigung vorausgegangen war eine E-Mail-Korrespondenz zwischen V. S. und der Mitarbeiterin der Klägerin H. O. V. S. schrieb unter dem 27. April 2015 unter anderem:

"Das Zusammenkommen aller Kinder und Enkel, also des ganzen Familienkreises auf dem Friedhof ist aber irgendwie doch ein historisches Ereignis: 'Ein Dichter wird zu Grabe getragen'. Ich biete mich an, es mit einer kleinen Handkamera zu dokumentieren und den 'Chip' Ute oder ihnen für das GG Archiv das Material sofort zu übergeben, - "fürs Archiv" wie es im weiten Feld heißt, für die Nachwelt."

H. O. antwortete unter dem 29. April 2015 unter anderem:

"[...] gestern habe ich U. G. gefragt. Nein, sagte sie, sie möchte nicht, dass Sie die Beerdigung aufzeichnen. [...] Wenn alles so abläuft, wie wir es uns bisher erhoffen, und wir von der presse weitgehend unbehelligt bleiben, sollten auch Sie die Kamera im Wagen lassen. U. G. war entschieden gegen eine Aufzeichnung."

Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Korrespondenz wird auf Anlage K 1 Bezug genommen.

Die Beklagte hat eine eidesstattliche Versicherung von V. S. vom 4. Juni 2015 vorgelegt, Anlage B 1, in der dieser die Umstände der Beerdigung schildert:

Er habe die abgebildete Blechtrommel zur Beerdigung mitgebracht und sie auf den Wunsch der Kinder des Verstorbenen, B. und H. G., in das Grab gegeben. Er habe sodann offen und keineswegs heimlich das streitgegenständliche Foto der Blechtrommel im offenen Grab gefertigt.

Die Beklagte hat ein weiteres Foto von der Beerdigung, das die Trauergesellschaft zeigt, als Anlage B 2 vorgelegt. V. S. fertigte einen Bericht über die Beerdigung unter Beifügung des streitgegenständlichen Fotos an, Anlage B 3. Diesen Bericht übermittelte er über die in der Anlage B 3 als Rechtinhaberin ausgewiesene "... GmbH" unter anderem an die Beklagte, die auf dieser Grundlage die aus der Anlage K 2 ersichtliche Berichterstattung veröffentlichte. Nach der Berichterstattung der Beklagten gemäß Anlage K 2 soll es die "echte" Blechtrommel sein, die in das Grab gelegt. wurde.

Unter dem 4. Mai 2015 schrieb V. S. einen persönlichen Brief an die Klägerin, in dem er sich "rechtfertigen und entschuldigen" wolle und dem er den an die Agentur übermittelten Text beifügte, Anlage K 9. Am gleichen Tag gab V. S. gegenüber der Klägerin eine Unterlassungsverpflichtungserklärung wegen des streitgegenständlichen Fotos ab, Anlage K 6. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Mai 2015 ließ V. S. sodann erklären, er habe das Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages widerrufen, Anlage K 7. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin antworteten unter dem 3. Juni 2015, Anlage K 8.

Ebenfalls am 4. Mai 2015 ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen, Anlage K 3. Die Beklagte lehnte die Abgabe der geforderten Erklärung ab, Anlage K 4.

Die Beklagte hat Presseberichte über das letzte, posthum erschienene Werk von G. G. "Vonne Endlichkait" als Anlagenkonvolut B 5 vorgelegt. Die Erzählung "Worin und wo wir liegen werden" aus diesem Werk, in der ein Ehepaar sich Gedanken über seine Beerdigung macht, hat sie als Anlage B 4 vorgelegt. Darin heißt es zu einem "Probeliegen" in angefertigten Särgen unter anderem (S. 90):

"Wenig später bedauerte meine Frau, kein Foto von mir in der Kiste gemacht zu haben, war aber entschlossen, bei nächster Gelegenheit mit ihrem Apparat zur Stelle zu sein. 'Du sahst so zufrieden aus', sagte sie."

Die Beklagte zitiert diese Passage demgegenüber wie folgt:

"Später bedauerte ich es, m...

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