Leitsatz (amtlich)
Eine Werbung mit Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos (Art. 14 VO (EG) 1924/2006 (Health-Claim-Verordnung/HCV)) stellt sich zugleich als eine krankheitsbezogene Werbung i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB dar. § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist als harmonisierte Vorschrift grundsätzlich neben der HCV anwendbar.
Normenkette
HCV Art. 14, 28 Abs. 6, Art. 10 Abs. 1; LFGB § 12 Abs. 1; UWG §§ 3, 8, 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 28.09.2010; Aktenzeichen 407 HKO 133/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des LG Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 28.9.2010 - 407 O 133/10 abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,
Folgenahrung der Produktserie "Praebiotik® + Probiotik®"
a) mit Angaben über ein verringertes Auftreten von Magen-Darm-Problemen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie in Anlage A geschehen,
und/oder
b) mit der Angabe "Probiotik®: mit natürlichen Milchsäurekulturen, die ursprünglich aus der Muttermilch gewonnen wurden. Muttermilch enthält eine Vielzahl probiotischer Kulturen, die individuell unterschiedlich sein können." zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie dies in Anlage B geschieht.
2. Die Kosten der 1. Instanz fallen der Antragstellerin zu 1/5 und der Antragsgegnerin zu 4/5 zur Last. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 120.000 festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Babynahrung. Sie streiten im Verfügungsverfahren um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von zwei Angaben, mit denen die Antragsgegnerin für eine Babyfolgenahrung der Produktserie "Praebiotik® + Probiotik®" wirbt.
Auf der Internetseite der Antragsgegnerin www.h.de findet sich in der Rubrik "Milchnahrung" und in der Unterrubrik "Ratgeber" die als Anlage A überreichte Darstellung "Praebiotika & Probiotika", in der unter Bezugnahme auf eine aktuelle Studie und mittels einer Grafik erklärt wird, Magen-Darm-Probleme träten bei Kindern, die eine Folgenahrung mit Praebiotika und Probiotika erhalten, um 61 % verringert auf im Vergleich zu solchen Kindern, die eine Folgenahrung nur mit Praebiotika erhalten.
Die Antragsgegnerin hatte bereits am 1.6.2010 auf eine Abmahnung der Antragstellerin hin wegen eines anderen Werbemittels eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtete, es zu unterlassen, "mit Angaben zu Magen-Darm-Infektionen für H. Folgemilch Plus Praebiotik® + Probiotik® zu werben oder werben zu lassen".
Auf einer anderen Unterseite der Internetseite www.h.de, die als Anlage B vorgelegt wurde, findet sich unter der Rubrik "Produkte" und neben den abgebildeten Produkten H. 2 Plus Folgemilch bzw. H. 3 Plus Folgemilch folgende Angabe:
"Probiotik®: mit natürlichen Milchsäurekulturen, die ursprünglich aus der Muttermilch gewonnen wurden. Muttermilch enthält eine Vielzahl probiotischer Kulturen, die individuell unterschiedlich sein können."
Die von der Antragsgegnerin in ihrer Produktserie "Praebiotik® + Probiotik"® eingesetzten Milchsäurekulturen werden aus der Muttermilch isoliert und dann mittels eines biochemischen bzw. biotechnologischen Verfahrens weitergezüchtet, wobei die genetische Struktur erhalten bleibt.
In einem von der Antragstellerin angestrengten Verfügungsverfahren vor dem LG Hamburg (Az. 327 O 314/10) wurde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 3.6.2010 verboten, "Babynahrung der Produktserie "Praebiotik® + Probiotik®"mit der Angabe "mit natürlichen Milchsäurekulturen, die ursprünglich aus der Muttermilch gewonnen wurden und abhängig von der Ernährungs- und Lebensweise in Muttermilch enthalten sein können" zu vertreiben und/oder vertreiben zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wie in Anlage AS 4". Die Anlage AS 4 bezog sich auf eine Verpackung der Folgenahrung "Praebiotik® + Probiotik®". Angegriffen wurde die Werbeaussage in dem dortigen Verfahren allerdings nicht wegen einer etwaigen Irreführung über die Natürlichkeit der enthaltenen Milchsäurekulturen.
Die Wortmarke "Probiotik" DE 39 620 358 wurde am 2.5.1996 beim DMPA angemeldet und am 4.7.1996 für die Firma Nutrimun GmbH und für die Warenklassen 29, 30 und 32 eingetragen.
Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin wegen der streitgegenständlichen Aussagen mit Schreiben vom 27.8.2010 ab. Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 2.9.2010 die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung ab.
Die Antragstellerin hat hinsichtlich des Antrags zu 1) geltend gemacht, die Angabe über ein verri...