Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 04.02.2021, Az. 312 O 112/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen des Unterlassungsanspruchs nach Ziffer I. des angefochtenen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- EUR abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kostenaussprüche durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung des Vertriebs einer Opiumtinktur als Arzneimittel ohne Arzneimittelzulassung in Anspruch.

Die Klägerin ist Zulassungsinhaberin und pharmazeutische Unternehmerin des Arzneimittels "Dropziol 10mg/ml Tropfen zum Einnehmen, Lösung", das zur Behandlung schwerer Durchfälle z.B. durch Zytostatika, Bestrahlung oder neuroendokrine Tumore zugelassen ist. Dabei handelt es sich um eine "eingestellte Opiumtinktur", die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt (vgl. Fachinformation, Anlage K 1). Die Beklagte betreibt die P.... A... Apotheke mit Sitz in Hamburg.

Die Klägerin hat sich gegen die Abgabe von Opiumtinktur durch die Beklagte gewandt und geltend gemacht, dieses Vorgehen verstoße gegen § 21 Abs. 1, § 96 Nr. 5 AMG sowie gegen §§ 3, 3a HWG und §§ 3, 5 UWG. Die Beklagte hat demgegenüber einen Verstoß gegen die Zulassungspflicht des § 21 Abs. 1 AMG in Abrede genommen. Sie hat gemeint, dass sie kein Fertigarzneimittel, sondern ein Rezepturarzneimittel hergestellt habe und zu deren Abgabe als Apotheke berechtigt zu sein.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz im Übrigen und die dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf das landgerichtliche Urteil verwiesen. Ergänzend wird folgendes festgestellt:

Mit Urteil vom 04.02.2021 - veröffentlicht in PharmR 2021, 450 und GRUR-RS 2021, 3929 - hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, die von der M... A... GmbH hergestellte und unter der Bezeichnung "Tinctura Opii normata ph Eur." vertriebene Opiumtinktur ohne Veränderung der Wirksubstanz als Arzneimittel an Endkunden abzugeben, wenn und solange für die abgegebene Opiumtinktur keine Arzneimittelzulassung erlangt worden ist. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Die Beklagte hält an ihrem Rechtsstandpunkt fest, dass sie ein (zulassungsfreies) Rezepturarzneimittel abgegeben habe. Die Abgrenzung des Rezepturarzneimittels zum Fertigarzneimittel erfolge anhand des Tatbestandsmerkmals, ob das Arzneimittel "im Voraus hergestellt" werde oder nicht. Rezepturarzneimittel würden gemäß § 1a Abs. 8 ApBetrO "nicht im Voraus hergestellt", im Gegensatz hierzu seien Fertigarzneimittel gemäß § 4 Abs. 1 AMG "im Voraus" hergestellt. "Im Voraus" hergestellt seien dabei Arzneimittel (Fertigarzneimittel), die hergestellt werden, bevor die Person des Anwenders bzw. Patienten bekannt sei. Würden Arzneimittel erst hergestellt (hier: in der patientenindividuellen Dosierung abgefüllt), nachdem der Apotheke eine ärztliche Verordnung vorliege, also nachdem der Apotheke die Person des Anwenders bzw. Patienten bekannt sei, liege stets ein sog. Rezepturarzneimittel vor. Keine Rolle spiele in diesem Zusammenhang, für wie "wesentlich" oder "unwesentlich" man die vorzunehmenden Herstellungsschritte in der Apotheke bezogen auf das konkret abzugebende Arzneimittel bewerte.

Umgekehrt rechtfertige sich das Zulassungserfordernis eines Fertigarzneimittels - nach der Auffassung des Vorsitzenden der für das Arzneimittelzulassungsrecht allein zuständigen Kammer am Verwaltungsgericht Köln - gerade durch das spezifische Risiko, dass der Patient im Zeitpunkt der Herstellung unbekannt sei. Weitere Voraussetzungen für die Annahme der Rezepturarzneimitteleigenschaft bestünden nicht. Das Gesetz differenziere demnach bei Rezepturarzneimitteln (anders als bei Defekturarzneimitteln) insbesondere an keiner Stelle danach, ob "wesentliche Herstellungsschritte" in der Apotheke erfolgt seien oder nicht. Entscheidend sei allein die Herstellung des abgabefähigen Arzneimittels an den Patienten auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung in der Apotheke nach deren Vorlage. Das Erfordernis der "wesentlichen Herstellungsschritte" finde sich lediglich in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG als eine der Voraussetzungen, unter denen Defekturarzneimittel (= Fertigarzneimittel) ausnahmsweise ohne arzneimittelrechtliche Zulassung her...

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