Leitsatz (amtlich)
1. Für die Abnehmer patentgeschützter Produkte besteht grundsätzlich ein Informationsinteresse über die Befugnisse des Patentinhabers in Bezug auf die von ihm hergestellten und an die Abnehmer vertriebenen Produkte.
2. Teilt ein Patentinhaber seinen Kunden und anderen kommerziellen Abnehmern mit, dass er den Schutz seiner Kunden vor Produktkopien sehr ernst nehme, und informiert er in diesem Zusammenhang über einen von ihm gegen einen Dritten geführten Patentverletzungsrechtsstreit, dann liegt darin nach den Umständen weder eine irreführende Handlung noch eine unzulässige Herabsetzung des Dritten, wenn zuvor eine Patentverletzung durch den Dritten in einem Hauptsacheverfahren gerichtlich festgestellt worden ist.
3. Berichtet der Kläger eines Patentverletzungsrechtsstreit seinen Kunden, dass das gegen einen Dritten ergangene Unterlassungsurteil vorläufig vollstreckbar sei, so wird der angesprochene Verkehr nicht schon deshalb in die Irre geführt, weil das betreffende Urteil bis dahin weder vollstreckt worden noch rechtskräftig geworden ist, denn gerichtliche Urteile sind unabhängig von der Einleitung der Zwangsvollstreckung auch dann zu beachten, wenn Zuwiderhandlungen vor Leistung der Vollstreckungssicherheit nicht über § 890 ZPO sanktioniert werden können.
Normenkette
BGB § 242; Brüssel-Ia-VO Art. 7 Nr. 2, Art. 26 Abs. 1 S. 1; UWG §§ 3, 4 Nr. 7, § 5 Abs. 1 Sätze 1-2, § 9 S. 1; ZPO § 513 Abs. 2, § 890
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26.07.2016, Az. 416 HKO 26/16, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Klägerin darf die Kostenvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines von dieser versandten Kundenschreibens aus Wettbewerbsrecht auf Auskunft, Erstattung von Abmahnkosten und der Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Beschlägen für Türen, insbesondere für Glastüren im Sanitär- und Bürobereich. Die Klägerin hat ihren Sitz im Inland, die Beklagte ihren Sitz in Frankreich.
Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass die Beklagte die Klägerin wegen einer möglichen Verletzung des deutschen Teils ihres Europäischen Patents 0 867 586 B1 durch ein sog. Gelenkband der Serie "FA." vor dem Landgericht Düsseldorf in erster Instanz erfolgreich in Anspruch genommen hatte. Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14. April 2015 ist nicht rechtskräftig (Anlage K 1). Die hiesige Klägerin hat Berufung gegen die Verurteilung eingelegt. Zudem hat die hiesige Klägerin gegen das Klagepatent am 1. September 2014 Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben. Dieses hat in einem Zwischenbescheid datierend auf den 21. September 2015 deutlich gemacht, dass insbesondere die im Verletzungsrechtsstreit in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents mangels erfinderischer Tätigkeit für nichtig zu erklären seien (Anlage K 5).
Anfang Juli 2015 erfuhr die Klägerin, dass die Beklagte an Kunden beider Parteien, insbesondere Kunden der Klägerin, aber auch an deutsche Wettbewerber ein vom 1. Juli datierendes englischsprachiges Rundschreiben versandt hat, in welchem die Beklagte über das Urteil des Landgerichts Düsseldorf informiert (Anlage K 6).
In dem Schreiben heißt es u.a.:
Our company takes very seriously the protection of our customers from copied products. Within this framework, we have obtained a ruling in our favour by the court in Düsseldorf against the German producer P. GmbH.
The judgement finds that the hinge FA. (reference no. 8182 ZN5) is in conflict with the rights bestowed by the European patent EP 0 867 58 with bearing to our anti-noise system. It is preliminary enforceable and forbids P. GmbH to produce this hinge in Germany and distribute it from Germany, and orders them to call back all hinges which are in third party possession and to destroy them, and to report to Assa Abloy - or a sworn accountant - all information about their distribution channels and customers.
The company P. GmbH has appealed against this decision; however we remain confident in a favorable outcome of these proceedings. [...]
Gegen dieses Kundenschreiben wendet sich die Klägerin. Sie ließ die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 8. Juli 2015 abmahnen (Anlage K 8). Die Beklagte gab daraufhin in Bezug auf die Verbreitung des Schreibens eine Unterlassungserklärung ab, wies aber die geltend gemachten Annexansprüche zurück (Anlage K 9).
Die Klägerin hat geltend gemacht, das Landgericht sei international zuständig, weil das Rundschreiben auch an Adressaten im Bezirk...