Leitsatz (amtlich)
1. Werden mehrere auf einer Produktverpackung angebrachte Angaben neben der dortigen Produktbezeichnung jeweils unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform als irreführend angegriffen und ist Streitgegenstand nach einer Einigung der Parteien wegen der übrigen Angaben nur noch die Produktbezeichnung selbst innerhalb der konkreten Verletzungsform, so erfolgt die Beurteilung des Irreführungsgehalts der noch streitigen Angabe zwar unter Berücksichtigung der konkreten Verpackungsgestaltung, aber losgelöst von den dort vorhandenen anderen, ebenfalls angegriffenen und dem Streit bereits durch die Einigung der Parteien entzogenen Angaben, es sei denn, dass diese irrtumsausschließend wirken.
2. Ein der Hautpflege dienendes Kosmetik-Produkt ist aus der maßgeblichen Verkehrssicht nicht schon deshalb ein Präsentationsarzneimittel, weil es nach seiner Zweckbestimmung im Zusammenhang mit einer Hauterkrankung eingesetzt werden soll, wenn zu einer in der Fachwelt empfohlenen Behandlung der Erkrankung nicht nur eine Therapie mit Arzneimitteln, sondern auch eine therapiebegleitende Hautpflege mit Kosmetika gehört.
3. Die Ergebnisse einer Verkehrsbefragung dazu, welche inhaltliche Bedeutung der Verkehr einer bestimmten Produktbezeichnung beimisst, sind zum Beleg eines allein durch diese Produktbezeichnung vermittelten Verkehrsverständnisses ungeeignet, wenn den Teilnehmern der Befragung zu Befragungsbeginn mehrere die streitige Produktbezeichnung aufweisende Verpackungen gezeigt werden, diese Verpackungen aber weitere Angaben enthalten, die geeignet sind, das Verkehrsverständnis vom Inhalt der allein streitigen Produktbezeichnung zu beeinflussen.
4. Zur Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Produktbezeichnung vom Verkehr als Hinweis auf eine Zweckbestimmung des Produkts zur Behandlung einer bestimmten Erkrankung oder bloß zur pflegenden Anwendung verstanden wird, ist eine geschlossene Fragestellung, die nur Antwortalternativen vorgibt, die krankheits-, nicht jedoch pflegebezogen sind, nicht geeignet.
Normenkette
UWG § 3 Abs. 1, §§ 5, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1; AMG § 21a; HWG § 3 S. 2 Nr. 1; LFGB § 27
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 25.11.2014; Aktenzeichen 312 HKO 358/14) |
Tenor
Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des LG Hamburg, ZK 12, vom 25.11.2014, Geschäfts-Nr. 312 O 358/14, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Antragstellerin zur Last.
Gründe
A. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin jetzt noch wegen der Produktbezeichnung "AtopiControl" aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.
Bei dem Antragsteller,..., handelt es sich um ein Selbstkontrollorgan der pharmazeutischen Industrie. Er befasst sich u.a. mit der Kontrolle von Publikumswerbung für Arzneimittel und verwandte Produkte (Anlage AS 4 und AS 5). Die Antragsgegnerin,..., ist ein in ... ansässiges international tätiges Kosmetikunternehmen, das u.a. Mittel zur Schönheits- und Körperpflege herstellt und vertreibt. Unter der Dachmarke "X" bringt sie seit langer Zeit medizinisch-kosmetische Hautpflege-Produkte auf den Markt (Anlage AS 6).
Bei dem Begriff der "Atopie" handelt es sich um die Bezeichnung für die genetische Prädisposition für verschiedene klinische Manifestationen der Überempfindlichkeitsreaktionen von Haut und Schleimhaut, die sich auf der Haut als atopisches Ekzem (= atopische Dermatitis bzw. Neurodermitis atopica bzw. Neurodermitis) manifestieren kann. In den Industriestaaten leiden bis zu 20 % der Kinder und bis zu 3 % der Erwachsenen unter Neurodermitis. (Anlage AS 8 bis AS 10).
Die Hauterscheinungen der Neurodermitis sind je nach Krankheitsstadium und Lebensalter verschieden. Zudem verläuft Neurodermitis meist schubweise, d.h. es wechseln sich akute und symptomfreie Phasen ab. Während der akuten Phasen kommt es zu einer Entzündung der Haut, die mit starkem Juckreiz einhergeht. Dann setzt eine Zeit der Symptomfreiheit ein. Neurodemitis wird bei leichten und moderaten Ekzemen in der Regel topisch, nämlich mit Hilfe von kortisonhaltigen Cremes und Salben behandelt. Schwer ausgeprägte Ekzeme werden darüber hinaus systemisch therapiert (Anlagen AS 8 und AS 11).
Die Antragsgegnerin vertreibt unter der Dachmarke "X" seit Oktober 2013 sechs Produkte im Bereich der "Pflege mit medizinischem Anspruch", welche die Produktbezeichnung "AtopiControl" tragen (Anlage AS 1). Dabei handelt es sich um die Produkte "AtopiControl Creme", "AtopiControl Gesichtscreme", "AtopiControl Lotion", "AtopiControl Dusch- und Badeöl", "AtopiControl Akut Creme" sowie "AtopiControl Anti-Juckreiz Spray". Hinsichtlich der konkreten Gestaltung der Produkte sowie der entsprechenden Produktverpackungen wird auf die Anlage AS 1 verwiesen.
Mit Schreiben vom 29.8.2014 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und mahnte sie unter Fristsetzung zum 5.9.2014 im Hinblick auf die verwendete Produktbezeichnung, AtopiControl, sowie bezüglich verschiedener werblicher Angaben, die auf den AtopiControl- Produkten oder d...