Leitsatz (amtlich)
Eine Bestimmung in AVB für Warenkreditversicherungen, nach der Beträge, die nach Beendigung des Versicherungsschutzes eingehen, unabhängig von abweichenden Tilgungsbestimmungen grundsätzlich auf die jeweils älteste Forderung angerechnet werden, benachteiligt durch ihre einschränkungslose Formulierung den Versicherungsnehmer als Vertragspartner unangemessen und ist deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Normenkette
WaKredAVB 2008 § 5 Nr. 2.1.; BGB § 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 09.03.2012; Aktenzeichen 418 HKO 127/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg vom 9.3.2012 - 418 HKO 127/11, wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 11.678,96 nebst jährliche Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.2.2011 sowie weitere EUR 962,71 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einem Warenkreditversicherungsvertrag in Anspruch.
Diesem Versicherungsvertrag liegen die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Warenkreditversicherung-M AVB Warenkredit-M 2007 (Fassung 2008)" (Anl. K 1; im Folgenden: "AVB") zugrunde.
§ 2 Nr. 3. AVB lautet auszugsweise wie folgt:
"Forderungen sind in der Reihenfolge ihres Entstehens versichert.
Forderungen, die die Versicherungssumme übersteigen, rücken erst und insoweit in den Versicherungsschutz nach, als durch die Bezahlung versicherter Forderungen innerhalb der Versicherungssumme dafür Raum wird."
§ 4 enthält Bestimmungen über Beendigung und Beschränkung des Versicherungsschutzes, u.a. in § 4 Nr. 4.1. AVB:
"Bei Gefahrerhöhung oder aus sonstigen wichtigen Gründen können wir den Versicherungsschutz für den Kunden oder für die Gesamtheit aller Kunden mit Sitz in einem Land beschränken oder aufheben."
§ 5 Nr. 2.1. der AVB lautet:
"Beträge, die nach Beendigung des Versicherungsschutzes gem. § 2 Nr. 4 AVB eingehen, werden, unabhängig von abweichenden Tilgungsbestimmungen, grundsätzlich auf die jeweils älteste offene Forderung angerechnet."
Die Klägerin stand in Geschäftsbeziehungen zu einer Firma N. (im Folgenden: Fa. N.). Die Beklagte gewährte der Klägerin zunächst auch Versicherungsschutz für Forderungen gegen die Fa. N. Mit Schreiben vom 23.8.2010 (Anl. K 2) teilte die Beklagte der Klägerin die "Aufhebung der Versicherungssumme" bezüglich der Fa. N. mit. Das Schreiben enthält u.a. den Hinweis: "Jede vor Eintritt des Versicherungsfalles erhaltene Zahlung wird auf die jeweils älteste Forderung angerechnet. Diese Regelung gilt auch für Zahlungen auf solche Lieferungen, die Sie ggf. nach Aufhebung der Versicherungssumme ausführen."
In der Folgezeit forderte die Fa. N. die Klägerin auf, bereits vor Aufhebung des Versicherungsschutzes vereinbarte Leistungen zu erbringen und sagte der Klägerin einen umgehenden Ausgleich der daraus resultierenden Forderungen zu. Die Klägerin erfüllte daraufhin ihre vertragsgemäßen Verpflichtungen und erteilte der Fa. N. für die erbrachten Leistungen Rechnungen unter dem 1.9.2010, 10.9.2010 und 20.9.2010. Die Fa. N. beglich diese Rechnungen mit ausdrücklichen Zahlungsbestimmungen mit Scheckzahlungen über insgesamt EUR 11.678,96 am 7. bzw. 12.10.2010.
Nach Eintritt des unstreitig vorliegenden Versicherungsfalls nahm die Klägerin die Beklagte wegen seitens der Fa. N. nicht bezahlter Rechnungen auf Versicherungsleistungen in Anspruch.
Mit Schreiben vom 10.2.1011 (Anl. K 3) verrechnete die Beklagte unter Bezugnahme auf § 5 Nr. 2.1. ihrer AVB die von der Fa. N. im Oktober geleisteten Zahlungen von EUR 11.689,96 mit Versicherungsleistungen wegen Forderungen der Klägerin gegen die Fa. N., die bis zum 23.8.2010 entstanden und nicht beglichen worden waren.
Die Klägerin ist der Auffassung, eine solche Verrechnung hätte nicht erfolgen dürfen und verlangt weitere Versicherungsleistungen i.H.v. EUR 11.678,96.
Wegen des Sachverhalts sowie der erstinstanzlichen Anträge und Parteivorbringens wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat mit Urteil vom 9.3.2011 die Klage abgewiesen, weil seiner Ansicht nach die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung zu Recht erfolgt sei. Gegen die Wirksamkeit der Klausel des § 5 Nr. 2.1. AVB beständen keine Bedenken. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird im Übrigen verwiesen.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Sie meint, das LG sei unrichtigerweise von einer Wirksamkeit des § 5 Nr. 2.1. AVB ausgegangen. Diese Regelung sei jedoch unangemessen benachteiligend. Wenn die Regelung wirksam wäre,...