Entscheidungsstichwort (Thema)

"Metall auf Metall 2"

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Musikproduzent darf Aufnahmen von fremden Tonträgern ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers nicht im Wege des Sampling benutzen, wenn er die entnommene Aufnahme selbst herstellen kann (BGH, Urteil v. 20.11.2008, Aktz. I ZR 112/08 "Metall auf Metall"). Abzustellen ist auf die Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten eines durchschnittlich ausgestatteten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der beabsichtigten Nutzung der fremden Tonaufnahme. Ein selbst herzustellender Nachbau ist dem Original gleichwertig, wenn er aus der Sicht des Musikproduzenten von dem konkret angesprochenen Abnehmerkreis im konkreten musikalischen Zusammenhang als gleichwertig angesehen wird. Es kann weder eine vollständige Identität des Nachbaus mit der fremden Tonaufnahme im naturwissenschafltichen Sinne verlangt noch auf eine besonders anspruchsvolle Hörerschaft oder die Kenntnisse und das Differenzierungsvermögen eines professionellen Musikproduzenten abgestellt werden.

 

Normenkette

UrhG § 85 Abs. 1 S. 1, § 24

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 08.10.2004; Aktenzeichen 308 O 90/99)

 

Nachgehend

OLG Hamburg (Urteil vom 28.04.2022; Aktenzeichen 5 U 48/05)

BGH (EuGH-Vorlage vom 01.06.2017; Aktenzeichen I ZR 115/16)

BGH (Beschluss vom 01.06.2017; Aktenzeichen I ZR 115/16)

BVerfG (Beschluss vom 09.01.2017; Aktenzeichen 1 BvR 1585/13)

BVerfG (Urteil vom 31.05.2016; Aktenzeichen 1 BvR 1585/13)

BGH (Urteil vom 13.12.2012; Aktenzeichen I ZR 182/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg " Zivilkammer 8 " vom 8.10.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Verurteilung zur Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung (Ziff. 2a und 3 des Urteilstenors) auf die Zeit ab dem 1.11.1997 bezieht und dass die Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung (Ziff. 2b des Urteilstenors) an einen von den Klägern zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zu erfolgen hat.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens und der Revision zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können eine Vollstreckung der Kläger wegen der Verurteilung zu Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteils gegen Sicherheitsleistung von EUR 100.000, wegen der Verurteilung zu Ziff. 2a gegen Sicherheitsleistung von EUR 1000, wegen der Verurteilung zu Ziff. 2b gegen Sicherheitsleistung von EUR 10.000 und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung aus den Ziff. 1, 2a und 2b in gleicher Höhe Sicherheit leisten und vor der Vollstreckung wegen der Kosten i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Revision wird erneut zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Im Jahre 1977 erschien deren Tonträger "Kraftwerk " Trans Europa Express". Auf diesem Tonträger befindet sich u.a. der Titel "Metall auf Metall".

Die Beklagte zu 1. veröffentlichte im Jahre 1997 zwei Tonträger mit dem Stück "Nur mir" in zwei Versionen. Es handelt sich um ein Musikstück im Stile des "Hip Hop", bei dem der Sänger einen Sprechgesang im Rhythmus der begleitenden Instrumente vollführt (sog. Rap). Die Beklagten zu 2. und 3. sind die Komponisten des Stücks "Nur mir". Interpretin der beiden Aufnahmen von 1997 ist die Sängerin Sabrina Setlur.

Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt. Damit hätten sie die Rechte der Kläger als Tonträgerhersteller und ausübende Künstler sowie das Urheberrecht des Klägers zu 1. verletzt.

Im vorliegenden Verfahren nehmen die Kläger die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch. Wegen des Wortlauts der erstinstanzlich gestellten Anträge und weiterer Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Hamburg vom 8.10.2004 Bezug genommen.

Das LG hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt und die Verurteilung auf die Verletzung der Tonträgerherstellerrechte der Kläger gestützt. Der Senat hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 7.6.2006 zurückgewiesen. Auf die vom Senat zugelassene Revision hat der BGH mit Urteil vom 20.11.2008 das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Nach dem Revisionsurteil habe der Senat versäumt zu prüfen, ob die Beklagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen könnten. Diese für das Urheberrecht geltende Bestimmung sei in Fällen der Benutzung fremder Tonträger grundsätzlich entsprechend anwendbar. Allerdings könne sich der Nutzer fremder Aufnahmen dann nicht mi...

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