Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung (hier: Klacid) aus der EU parallelimportiert und durch Markenersetzung unter einer verwechslungsfähigen Marke (hier: Klacid Pro) umgepackt im Inland vertrieben, so ist eine Markenverletzung gegeben, wenn die Markenersetzung nach den Grundsätzen zu Art. 28, 30 EG nicht erforderlich ist.

Eine solche die Markenersetzung notwendig machende "Zwangslage" ist für den Parallelimporteur nicht gegeben, wenn das Präparat Klacid in EU-Ländern einschließlich Deutschland, das Arzneimittel Klacid Pro aber nur in Deutschland vertrieben wird und beide Präparate mit identischem Wirkstoff und Indikationsgebiet unterschiedliche Dosierschemata, verschiedene (compliencegerechte) Verblisterungen und verschiedene arzneimittelrechtliche Zulassungen haben. Wegen der Warenverschiedenheit kann von einer künstlichen Marktaufteilung nicht ausgegangen werden. Dass mit Klacid Pro ganz erheblich höhere Umsätze als mit Klacid erzielbar sind, begründet keine Zwangslage zur Markenersetzung.

2. Zum Umfang der Auskunftserteilung unter Belegbeibringung mit der Befugnis, Hinweise auf Herstellerfirmen, Lieferanten und Vorbesitzer unkenntlich zu machen

 

Normenkette

EG Art. 28, 30; MarkenG §§ 14, 19, 24; MarkenRL Art. 7; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 29.07.2003; Aktenzeichen 312 O 134/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 05.06.2008; Aktenzeichen I ZR 208/05)

 

Tenor

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 29.7.2003 abgeändert und zum Zwecke der Klarstellung insgesamt neu gefasst.

1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, das Arzneimittel "Klacid 250 comprimidos" spanischen Ursprungs in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung "Klacid Pro" anzubieten, feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen;

2. die Beklagten werden weiter verurteilt, der Klägerin unter Belegvorlage Auskunft zu erteilen über alle seit dem 22.1.2002 erfolgten Zuwiderhandlungen gegen Ziff. 1.) unter Angabe der Umsätze einschließlich der Liefermengen, Lieferpreise (inkl. der Nennung der Natural- sowie Geldrabatte) und Lieferdaten sowie der Abnehmer und unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten (einschl. Bezugspreisen, wobei die Fixkosten nur insoweit aufzuführen sind, als sie den unter Ziff. 1. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden können) sowie des erzielten Gewinns, wobei Hinweise auf die Herstellerfirmen, Lieferanten und Vorbesitzer geschwärzt werden können.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den Handlungen gem. Ziff. 1.) seit dem 22.1.2002 entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 310.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin - ein forschendes Arzneimittelunternehmen in Deutschland - vertreibt in Deutschland u.a. das auf sie zugelassene Arzneimittel Klacid Pro, ein Antibiotikum mit dem Wirkstoff Clarithromycin.

Die Beklagten sind Parallelimporteure. Sie vertreiben das aus Spanien stammende Arzneimittel "Klacid 250 comprimidos" (12 Filmtabletten) in Deutschland unter der Bezeichnung "Klacid Pro". Die Beklagte zu 1) - im Folgenden kurz: die Beklagte - betreibt die Einfuhr und das Umpacken der Importware sowie deren Vertrieb im Inland; die Beklagte zu 2) ist im Mitvertrieb der Beklagten tätig.

Die Klägerin beanstandet das Umkennzeichnen als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagten mit der vorliegenden Klage deswegen auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Inhaberin der Gemeinschaftsmarke "Klacid" Nr. ... (der Klagemarke) ist die konzernmäßig mit der Klägerin verbundene Firma BB, USA (Anlagen K 3-4); die Klägerin ist das in Deutschland tätige Konzernunternehmen der Markeninhaberin mit den ausschließlichen Nutzungsrechten für die Klagemarke in Deutschland.

Das Arzneimittel Klacid wird seit vielen Jahren in EU-Staaten im Konzern der Klägerin vertrieben. Es ist in Deutschland in verschiedenen Darreichungsformen zugelassen und im Vertrieb; in oraler Darreichungsform ist Klacid in Deutschland in den Packungsgrößen zu 10 und zu 20 Filmtabletten auf dem Markt (Anlage K 5), aber im Wege des Parallelimports auch in der Packungsgröße zu 12 Filmtabletten (Anlage K 6); in Spanien wird Klacid ...

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