Leitsatz (amtlich)
1. Nach den Grundsätzen der gesundheitsbezogenen Werbung kann es irreführend sein, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen, und zwar unabhängig davon, ob die Studien selbst lege artis durchgeführt wurden oder ob die Werbung inhaltlich auf andere Studien gestützt werden könnte.
2. Das gilt etwa, wenn die in Bezug genommene Studie als Erkenntnisquelle nicht in Betracht kommen, weil diese Studie selbst abweichende Studienergebnisse nennt, ohne dass dies in der auf diese Studie bezugnehmenden Werbung zu Ausdruck kommt, oder aber die in Bezug genommene Studie selbst die in der Werbung behaupteten Ergebnisse nicht für bewiesen hält bzw. lediglich eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt, während die Werbung diese Einschränkungen der Studienaussage nicht mitteilt. Anderenfalls wäre die ärztliche Therapieentscheidung auf der Grundlage von mit wissenschaftlichen Studien belegten Werbeaussagen mit Unsicherheiten belegt und deshalb Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung nicht auszuschließen.
Normenkette
HWG § 3; UWG §§ 3, 5, 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 28.02.2006; Aktenzeichen 312 O 917/05) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12 (Az. 312 O 917/05) vom 28.2.2006 wird zurückgewiesen
Die Antragsgegnerinnen tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
A. Die Parteien sind Pharmaunternehmen, sie vertreiben verschreibungspflichtige Arzneimittel aus der Substanzgruppe der Bisphosphonate zur Behandlung der Osteoporose bei Frauen nach der Menopause und stehen miteinander im Wettbewerb.
Die Antragsgegnerinnen vertreiben gemeinsam das im September 2005 zugelassene Arzneimittel "B 150 mg Filmtabletten" mit dem Wirkstoff Ibandronsäure. Das Arzneimittel ist zur einmal monatlichen Einnahme bestimmt und ist gemäß der aktuellen Fachinformation vom Stand September 2006 (Anlage AG 17, Ziff. 4.1) für folgende Anwendungsgebiete zugelassen:
"Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (s. Abschnitt 5.1). Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden".
Die Antragsgegnerinnen warben im Oktober 2005 für "B® 150 mg Filmtabletten" gegenüber Ärzten mit einer Ringbuch-Besprechungsunterlage gem. Anlage EV 3. Die 3. Seite war wie folgt gestaltet:
Am 24.10.2005 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zu 1) wie aus der Anlage EV 4 ersichtlich ab. Gegenstand der Abmahnung war auch die Aussage "B erhöht die Knochendichte an Hüfte und Wirbelsäule" auf der S. 3 der Broschüre. Zur Begründung der Abmahnung machte die Antragstellerin geltend, es fehle an einem die Irreführung vermeidenden Hinweis dahingehend, dass eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelfrakturen nicht belegt worden sei (Anlage EV 4, S. 2). Mit Schreiben vom 28.10.2005 lehnte die Antragsgegnerin zu 1) die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab (Anlage EV 5). Darin machte sie geltend, die Aussage "B erhöht die Knochendichte an Hüfte und Wirbelsäule.." sei richtig und durch die "Mobile"-Studie von M. et al. belegt (Anlage EV 5, 1. Schreiben, S. 1). Die Antragsgegnerin zu 2) gab - ebenfalls mit Schreiben vom 28.10.2005 (Anlage EV 5, 2. Schreiben) eine teilweise Unterlassungserklärung ab, welche die vorliegend im Berufungsverfahren noch anhängigen Punkte nicht betraf.
Die Antragstellerin hat sodann am 16.12.2005 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt.
Die Antragstellerin beanstandet die Werbung als wettbewerbswidrig und nimmt deswegen die Antragsgegnerinnen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch. Im Berufungsrechtszug sind lediglich noch die Anträge zu I.1 und I. 2. im Streit, also der Antrag zu I. 3. nicht.
Die propagierte Erhöhung der Knochendichte an "Hüfte und Wirbelsäule" durch B® mit der Begründung, B® verfüge insoweit über eine schnelle Wirkung, sie wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert, die uneingeschränkt aufgestellte Auslobung sei durch die in der Fußnote in Bezug genommene Arbeit von R. et al. nicht belegt und damit irreführend gem. §§ 3 S. 1 HWG, 5 UWG (Antrag zu I.1). Ferner sei die Auslobung einer kontinuierlichen Zunahme der Knochendichte für die Monatstablette B® (Antrag zu I.2) durch die in Bezug genommene Arbeit von C. et al. nicht belegt.
Durch die Beschlussverfügung des LG Hamburg vom 23.12.2005 ist den Antragsgegnerinnen unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten worden, im Wettbewerb das Fertigarzneimittel "B® 150 mg Filmtabletten" (Wirkstoff: Ibandronsäure) zu bewerben
1. mit einer Erhöhung der Knochendichte an "Hüfte und Wirbelsäule" wie folgt:
und/oder
2. unter Berufung auf die Arbeit von C. CH et al., J Bonde Miner Res 2004; 19 (8): 1241-1249, mit folgender Angabe:
und/oder
3. ... (nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens)
Mit Urteil vom 28.2.2006 hat das LG die einstweilige V...