Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Rahmen des Parallelimports eine Bündelpackung hergestellt, die aus mehreren Faltschachteln besteht, die nur durch ein Klebeband und damit lösbar (also nicht fest Fläche auf Fläche verklebt) miteinander verbunden sind, so verstößt die Kennzeichnung gegen § 10 Abs. 1 AMG, wenn die Pflichtangaben nur auf einer der Faltschachteln, nicht aber auf den übrigen angegeben sind. Das Klebeband fasst das Bündel nur zusammen, die einzelnen Faltschachteln können sich ohne weiteres verselbstständigen und sind ihrerseits jeweils äußere Umhüllungen i.S.d. § 10 Abs. 1 AMG.
2. Die Wiederholungsgefahr wird durch eine Unterlassungserklärung, die unter der auflösenden Bedingung abgegeben worden ist, dass rechtskräftig im (vorliegenden) Klageverfahren ein Verstoß gegen § 10 AMG verneint wird, nicht beseitigt.
Normenkette
AMG § 10; UWG § 1; EU-Richtlinie 92/27/EWG Art. 1 Abs. 2; EU-Richtlinie 92/27/EWG Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 278/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 24.7.2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten verurteilt werden, es bei Meidung der vom LG genannten Ordnungsmittel zu unterlassen,
Arzneimittel aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes in Bündelpackungen, die aus Faltschachteln bestehen, die nur mit Klebeband miteinander zu einem Bündel verbunden sind, in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten, zu vertreiben oder in den Verkehr zu bringen, ohne jede in der Bündelpackung enthaltene Faltschachtel mit den Pflichtangaben gem. § 10 AMG zu versehen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens wie Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 267.916,95 EUR (= 524.000 DM) abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 255.645,94 EUR (= 500.000 DM) festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin – ein Pharmaunternehmen – stellt das Arzneimittel „A.” mit dem Wirkstoff Anastrozol her.
Die Beklagten sind Parallelimporteure, sie vertreiben das aus Österreich stammende Arzneimittel „A.” in Deutschland in Bündelpackungen zu insgesamt 100 Filmtabletten (Packungsgröße N 3), deren Konfektionierung die Klägerin als wettbewerbswidrig beanstandet.
Die Klägerin nimmt deswegen die Beklagten mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch.
Bei der „A.”-Bündelpackung werden von den Beklagten jeweils drei Faltschachteln (zwei mit je 30 Filmtabletten und eine mit 40 Filmtabletten) zu einem Bündel zusammengefasst (vgl. hierzu die Bündelpackung im Original und in Fotokopie gem. Anlage K 1): Die drei Faltschachteln sind übereinander gelegt und auf der einen Längsseite über alle drei Schachteln hinweg mit einem transparenten Klebestreifen miteinander verbunden (in der Anlage K 1 ist dieser Klebestreifen nachträglich von der Klägerin zur Packungskontrolle aufgeschnitten worden), auf der gegenüberliegenden Längsseite ist ein Aufkleber angebracht, der u.a.den Hinweis: „A. 100 (30+30+40) Filmtabletten – Bündelpackung” enthält. Sonst sind die Faltschachteln des Bündels nicht weiter miteinander verbunden, so dass sie voneinander gelöst sind, wenn man den transparenten Klebestreifen und den Aufkleber aufschneidet. Von den drei Faltschachteln ist nur eine (die mit 40 Filmtabletten) mit einem Aufkleber der Beklagten versehen, der die Pflichtangaben gem. § 10 AMG enthält. Die übrigen zwei Faltschachteln (mit je 30 Filmtabletten) im Bündel sind unverändert im Ursprungszustand ohne Pflichtangaben belassen (vgl. Anlage K 1).
Auf die Abmahnung der Klägerin (Anlage K 2) ließen die Beklagten die strafbewehrte Verpflichtungserklärung abgeben, es „ab sofort zu unterlassen, das aus Österreich in der Packungsgröße 30 Filmtabletten importierte Arzneimittel A. in der Packungsgröße 100 Filmtabletten in Bündelpackungen bestehend aus drei Faltschachteln in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr zu bringen, ohne jede Faltschachtel mit den Pflichtangaben gem. § 10 AMG zu versehen.
Die Unterlassungsverpflichtungserklärung wird unter der auflösenden Bedingung abgegeben, dass die Unterlassungsverpflichtung entfällt, wenn in einem von … (der Klägerin) bis spätestens zum 31.5.2001 anzustrengenden Hauptsacheverfahren rechtskräftig festgestellt wird, dass die Anbringung der Pflichtangaben gem. § 10 AMG an allen drei Faltschachteln nicht erforderlich ist” (Anlage K 3).
Die Klägerin hat vorgetragen: Gemäß § 10 AMG dürften Fertigarzneimittel in Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf den Behältnissen bzw. äußeren Umhüllungen dauerhaft die dort genannten Pflichtangaben angegeben seien. Das geschehe bei der von den Beklagten vertriebenen „A.”-Bündelpackung aber nicht, weil nur ein...