Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzerkette
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Urheberrechtsinhaber steht ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns nur einmal zu, selbst wenn er parallel sowohl den Hersteller der rechtsverletzenden Produkte als auch dessen Abnehmer als Wiederverkäufer auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Eine vollständige Abschöpfung aller aus der Rechtsverletzung erwachsenen Vorteile auf allen Stufen der Verletzerkette findet jedenfalls dann nicht statt, wenn die Verletzungshandlungen auf sämtlichen Vertriebsstufen nach Art und Umfang inhaltsgleich sind.
2. Hat ein gewerblicher Abnehmer zumindest gewisse Anhaltspunkte für die Möglichkeit, dass die bezogenen Gegenstände urheberrechtsverletzend sein können, so obliegen ihm umfassende Prüfungspflichten, wenn er den Vorwurf einer auch nur leicht fahrlässigen Urheberrechtsverletzung ausschließen will. In diesem Rahmen sind auch Wiederverkäufer mit einem großen Produktsortiment verpflichtet, notfalls von sich aus zu einzelnen Verkaufsgegenständen auch ohne konkreten Anlass Nachforschunden anzustellen.
3. Eine zweitinstanzliche Klageerweiterung ist auch in den Fällen des § 264 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nur innerhalb einer bestehenden Beschwer möglich. Das setzt voraus, dass zumindest ein Teilstück des ursprünglichen Begehrens mit dem Rechtsmittel weiterverfolgt wird. Demgegenüber kann ein abweichender, in erster Instanz nicht streitgegenständlicher Sachverhalt nicht durch den obsiegenden Kläger im Wege der Anschlussberufung als Klageerweiterung in zulässiger Weise in den Prozess eingeführt werden, selbst wenn der Berufungsführer dessen Relevanz in erster Instanz unrichtig beurteilt bzw. verkannt hat.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 1, § 264 Abs. 2 Nr. 2, § 287 Abs. 1; ZPO §§ 529, 533; BGB § 830 Abs. 1, § 840 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 14.05.2004; Aktenzeichen 308 O 485/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 14.5.2004 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 357.253,52 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2003.
Die weitergehende Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung der Klägerin einschließlich der Klageerweiterung vom 5.4.2005 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Beklagte 62 %, die Klägerin trägt 38 %. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz fallen der Beklagten zu 53 % und der Klägerin zu 47 % zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, ein in Norwegen ansässiges Unternehmen der Möbelbranche, nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch.
Die Klägerin vertreibt als Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte u.a. in Deutschland seit Jahren erfolgreich den Kinderhochstuhl Tri.Tra.
Die Beklagte ist ein Handelsunternehmen, das sich schwerpunktmäßig mit dem Vertrieb von Bedarfsgegenständen für Kinder befasst. Die Beklagte bezog von der Firma H. GmbH & Co. KG und vertrieb über Jahre den Kinderhochstuhl H., der dem Tri.Tra.-Stuhl im Aussehen ähnlich ist.
Die Klägerin sieht in dem Vertrieb des Stuhls H. ihre Rechte an dem Tri.Tra.-Stuhl verletzt. Sie hatte bereits im Jahr 1997 vor dem LG Hamburg - 308 O 332/97 den Lieferanten der Beklagten, die H. GmbH & Co. KG, und deren Gesellschafter bzw. Geschäftsführer auf Unterlassung sowie darüber hinaus zum Teil auch auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Das LG Hamburg hatte diese Klage mit Urteil vom 9.4.1999 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der - seinerzeit für die Entscheidung von Urheberrechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständige - 3. Zivilsenat des OLG Hamburg, Urt. v. 1.11.2001 - 3 U 115/99, ZUM-RD 2002, 181 ff. unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die H. GmbH & Co. KG sowie die weiteren Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Wegen der näheren Einzelheiten des äußeren Erscheinungsbilds der beiden Kinderhochstühle wird auf die angefochtene Entscheidung des LG, wegen der streitigen Rechtsstandpunkt der Parteien des Ausgangsverfahrens und die Beurteilung des H.-Stuhls als Urheberrechtsverletzung des Tri.Tra.-Stuhls wird auf die beiden Parteien bekannte Entscheidung des 3. Zivilsenats vom 1.11.2001 in der Rechtssache Stokke gegen H. u.a. Bezug genommen.
Die Klägerin verfolgt ihre Schadensersatzansprüche gegen die H. GmbH & Co. KG und deren Gesellschafter/Geschäftsführer nunmehr in dem Rechtsstreit 5 U 133/04 (308 O 269/03) weiter. Das LG Hamburg hat die Beklagten des dortigen Rechtsstreits mit Urteil vom 9.7.2004 zur...