Leitsatz (amtlich)
Zur Irrführung durch die für Gurkenkonserven verwendete Bezeichnung „Spreewald”.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 24.06.1998; Aktenzeichen 315 O 216/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, 15. Zivilkammer, vom 24.6.1998 (315 O 216/98) abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 21.500 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien produzieren Gurkenkonserven im Bundesland Brandenburg. Beide haben ihre Produktionsstätten in der Nähe des Spreewaldes, einem bekannten Anbaugebiet für Gurken. Die Klägerin nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auf Unterlassung des Inverkehrbringens ihrer Gurkenkonserven als „Köstlichkeiten aus dem Spreewald”, aus dem „Spreewaldhof” stammend, mit der Bezeichnung „Spreewald” versehen und/oder als „Original Spreewälder Gurken” in Anspruch.
Der Spreewald liegt ca. 70 Km südöstlich von Berlin. Mit dem Begriff Spreewald werden verschiedene Regionen bezeichnet. Die Parteien streiten u.a. um die Frage, welche dieser Regionen der Verkehrsanschauung in Bezug auf die Bezeichnung von Gurkenkonserven zugrunde liegt. Das sog. „Kahnrevier” ist ein eng begrenztes Gebiet, welches landschaftlich durch eine Vielzahl von Verästelungen des Flusses Spree geprägt ist, die ein Hunderte Kilometer umfassendes Netz von sog. Fließen bildet. Einige Ortschaften in dieser Kahnregion sind nur mit Booten erreichbar. Autoverkehr ist aufgrund der landschaftlichen Besonderheiten nicht oder nur in geringem Umfang möglich. Das Kahnrevier deckt sich in etwa mit dem südöstlich der Ortschaft Lübben gelegenen „Oberspreewald” (in der Karte gem. Anlage K 1 schwarz eingekreist). Der „Oberspreewald” und der nördlich von Lübben bis etwa zum Neuendorfer See reichende „Unterspreewald” bilden zusammen das „Biosphärenreservat Spreewald”, ein 1990 gesetzlich geschütztes Gebiet (in der Karte gem. Anlage BK 2 dunkelgrün ausgewiesen; nachfolgend als „Spreewald i.e.S.” bezeichnet). Ein erheblich größeres Gebiet umfasst der sog. „Wirtschaftsraum Spreewald” (in der Karte gem. Anlage K 1 rot eingekreist). Dieser wurde definiert auf Initiative des wirtschaftlichen Interessenverbandes „Spreewaldverein e.V.”, dem neben Gurkenbauern und -verarbeitern aus der Region auch Vertreter aus der Landwirtschaft, der Forst- und Wasserwirtschaft, der Fischerei, des Tourismus und des Naturschutzes, sowie Bürger der Spreewaldregion angehören. Die Definition des „Wirtschaftsraumes Spreewald” erfolgte durch den Spreewaldverein e.V. im Einvernehmen mit den betroffenen Kommunen, Ämtern und Landkreisen und ist formal durch Beschlüsse der betroffenen Landkreise bestätigt worden. Er deckt sich im wesentlichen mit der durch den Tourismusverband Spreewald ausgewiesenen touristischen Spreewaldregion (in der Karte gem. Anlage BK 2 hellgrün ausgewiesen). Im Verlaufe des vorliegenden Verfahrens, nämlich mit Verordnung EG Nr. 590/1999 (Anlage B 17) vom 18.3.1999 (nachfolgend: VO 590/1999) ist die Bezeichnung „Spreewälder Gurken” als geschützte geographische Angabe („g.g.A.”) im Sinne der Verordnung EG 2081/92 zum Schutze von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vom 14.7.1992 (nachfolgend: VO 2081/92, vgl. Anlage K 13) eingetragen worden. Der Schutz umfasst das geographische Gebiet des „Wirtschaftsraums Spreewald” (vgl. die Spezifikation im Eintragungsantrag gem. Anlage BK 25/BfK 26). Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches aus einem ehemaligen Betrieb der DDR hervorgegangen ist und seit Jahrzehnten Gurkenkonserven nach Rezepten herstellt, wie sie seit Jahrhunderten im Spreewald angewendet werden. Die Klägerin hat ihren Sitz in Jüterbog, einer Ortschaft, welche etwa 50 Km westlich des Spreewaldes liegt, und zwar außerhalb sowohl des Spreewalds i.e.S. als auch des „Wirtschaftsraumes Spreewald”.
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin des „Volkseigenen Betriebs (VEB) Obst- und Gemüseverarbeitung ‚Spreewald-Konserve’ Golßen”, der im Rahmen der Privatisierung von DDR-Betrieben im Sommer 1990 in die „Obst- und Gemüseverarbeitung ‚Spreewaldkonserve’ Golßen GmbH” umgewandelt worden war. In Golßen befand sich zu Zeiten der DDR das Hauptwerk („Werk I”) des Kombinats „Volkseigenen Betriebs (VEB) Obst- und Gemüseverarbeitung ‚Spreewald-Konserve Golßen’”. Die Beklagte produziert in Golßen Konservenprodukte, nämlich „Spreewaldhof-Gewürzgurken”, „Spreewaldhof-Senfgurken”, „Spreewaldhof – saure Gurken”, „Spreewaldhof – Gurkenzwiebeltopf”, „Spreewaldhof-Knoblauchgurken” und „Spreewaldhof-Cornichons”. Die Gurkengläser der Beklagten sind mit einem Siegel versehen, auf dem unter der Bezeichnung „Spreewaldhof” und einem stilisierten Emblem, welches einen im Wald an einem Fluss gelegenen Bauer...