Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 18.04.2006; Aktenzeichen 321 O 266/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung seines weiter gehenden Rechtsmittels - das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 21, vom 18.4.2006 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 109.036,02 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus p. a. seit dem 15.9.2004 zu zahlen.
Dem Beklagten bleibt zur Vermeidung einer Bereicherung der Masse vorbehalten, nach Zahlung des ausgeurteilten Betrages an die Masse diesen Betrag vom Insolvenzverwalter insoweit zurückzufordern, als die Empfänger der streitgegenständlichen Zahlungen im Insolvenzverfahren unter Berücksichtigung des Ranges ihrer Forderungen ohnehin befriedigt worden wären.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten beider Rechtszüge fallen dem Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I.1. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. R. mbH (nachfolgend: "Gesellschaft"). Er macht gegen den beklagten Geschäftsführer der Gesellschaft einen Ersatzanspruch nach § 64 I GmbHG wegen 45 (unstreitiger) Zahlungen i.H.v. insgesamt 109.036,02 EUR geltend, die dieser im Zeitraum zwischen dem 31.3.2003 und dem 10.7.2003 von Konten der Gesellschaft bei der Commerzbank Hamburg und bei der Sparkasse Hamburg geleistet hat. Die Gesellschaft war spätestens am 30.9.2002 (in einem im Einzelnen zwischen den Parteien umstrittenen Ausmaß) überschuldet i.S.d. § 19 InsO, was dem Beklagten auch bekannt war. Welche Auswirkungen die nachfolgenden Sanierungsbemühungen des Beklagten auf das Gesellschaftsvermögen hatten, ist dagegen streitig (hierzu unten 2. und 3.). Das Insolvenzverfahren wurde (aufgrund von Anträgen vom 22.7., 23.7. und 5.8.2003) am 22.9.2003 durch das AG Hamburg eröffnet.
Per 21.10.2002 wandte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Namen der Gesellschaft in einem gleichlautenden Schreiben (Anlage K6) an die Gläubiger der Schuldnerin mit dem Ziel, eine außergerichtliche Sanierungsvereinbarung zu erreichen. Danach sollte die Gesellschaft bis zum Ende des Jahres 2002 "mit dem Ziel einer verbesserten Vergleichsquote durch Abschluss aller Bauvorhaben" fortgeführt und dann "zur Vermeidung eines gesetzlich vorgeschriebenen Insolvenzverfahrens" "still" liquidiert werden. In Nr. 3 des Vergleichsvorschlags war vorgesehen, dass die "Kleingläubiger" mit Forderungen bis zu 500 EUR zum 15.1.2003 in voller Höhe ausbezahlt werden. Die übrigen Gläubiger verzichteten nach Nr. 5 des Vorschlags auf ihre Forderungen, soweit sie den Betrag überstiegen, der ihnen auf der Grundlage einer nach Beendigung der Liquidation zu erstellenden, für den 30.4.2003 geplanten "Liquidationsschlussbilanz" (Nr. 2 - 4 des Vorschlags) ausgeschüttet würde ("aufschiebend bedingter Forderungsverzicht"). Gemäß Nr. 7 sollte der Sanierungsvergleich wirksam werden, "wenn summenmäßig über 90 % der Gläubiger zugestimmt haben".
2. In seiner Klageschrift vom 26.10.2005 trägt der Kläger (streitig) vor, der Beklagte habe die Überschuldung der Gesellschaft im Herbst 2002 durch die Veräußerung des "gesamten Anlagevermögens" "wesentlich verschärft", wobei die Einzelheiten dieses Vortrags unklar bleiben und die behauptete Nachteiligkeit der Geschäfte nicht schlüssig begründen. Zum Rundschreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten an die Gläubiger führt der Kläger aus, der dort vorgeschlagene Sanierungsvergleich sei von den Gläubigern nicht akzeptiert worden. Darüber hinaus hätte der geplante Vergleich, selbst wenn er zustande gekommen wäre, die Insolvenzantragspflicht nicht "beseitigt", da am 21.10.2002 die gesetzliche "Antragspflicht" (gemeint ist: Antragsfrist) des § 64 I GmbH bereits abgelaufen gewesen sei. Schließlich sei keine der streitgegenständlichen Zahlungen des Beklagten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar.
3. In seiner mit über sechswöchiger Verspätung eingegangenen Klageerwiderung trägt der Beklagte zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vom 18.11.2005 vor, zum 30.9.2002 habe die Gesellschaft Verbindlichkeiten "in einer Größenordnung von 789.000 EUR gehabt. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Vermögensstatus (Anlage B2) ergibt sich ..., dass die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt Aktiva einschließlich der Posten "Anlagevermögen" (16.102 EUR) und "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" (132.533 EUR) i.H.v. insgesamt ca. 153.000 EUR besaß. Ferner trägt der Beklagte vor, der Vergleich gemäß dem Rundschreiben vom 21.10.2002 sei mit den Gläubigern zustande gekommen, da dem Vergleichsvorschlag 102 von insgesamt 118 Gläubigern m...