Leitsatz (amtlich)
1. Die Bezeichnungen Cellofit und Cellvit sind im Warenähnlichkeitsbereich von „Arzneimitteln” und „diätetischen Lebensmitteln” bzw. Nahrungsergänzungsmitteln verwechselbar.
2. Der im Rahmen des Verwirkungstatbestands erforderliche „wertvolle Besitzstand” bemisst sich nach objektiven Marktkriterien und verändert sich nicht in seiner jeweiligen Ausrichtung ggü. bestimmten Mitbewerbern. Ein schutzwürdiges Vertrauen in die ungestörte Nutzung einer Marke kann deshalb auch dann nicht entstehen, wenn die Geschäftsaktivitäten unter der Kennzeichnung zwar nicht von dem Prozessgegner, aber von dritter Seite – z.B. durch ein Widerspruchsverfahren – gefährdet worden sind.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 15.08.2002; Aktenzeichen 315 O 155/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 15.8.2002 unter Abweisung der hierauf gerichteten Klage abgeändert, soweit der Beklagten verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr das Zeichen „CELLVIT zur Kennzeichnung für „Präparate zur Gesundheitspflege, Pflaster und Verbandsmaterial; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Zahnputzmittel” zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.
In diesem Umfang wird das Urteil auch bezüglich der rückbezogenen Folgeansprüche zu Ziff. I.3 und Ziff. II sowie hinsichtlich der Verpflichtung zur Einwilligung in die Löschung der Marke Nr. 29 07 355 unter Abweisung der hierauf gerichteten Klageanträge abgeändert.
Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte 95 %, die Klägerin trägt 5 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 130.000 Euro abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Pharmaunternehmen. Sie sind Wettbewerber bei Herstellung und Vertrieb von Präparaten zur Deckung eines (erhöhten) Nährstoffbedarfs. Die Klägerin vertreibt ihr diätetisches Lebensmittel (Anlage K 2) unter der seit 1988 zunächst für ihren Rechtsvorgänger – als Marke für Arzneimittel, diätetische Lebensmittel geschützten Bezeichnung „Cellofit” (Anlage K 1). Die Beklagte ist mit einem Nahrungsergänzungsmittel (Anlage K 5) seit 1994 unter der u.a. für Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse, diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke markenrechtlich geschützten Bezeichnung „Cellvit” (Anlage K4) auf dem Markt.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte verletze mit ihrem Produkt unter der verwechslungsfähigen Bezeichnung ihre prioritätsälteren Markenrechte. Sie hat die Beklagte mit Schreiben vom 24.1.2002 vorgerichtlich erfolglos abgemahnt (Anlagen K7 bis K9).
Die Klägerin hat Klage erhoben mit den Anträgen,
I. die Beklagte zu verurteilen
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr das Zeichen „CELLVIT” zur Kennzeichnung für „Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke, Pflaster und Verbandmaterial; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Zahnputzmittel” – insb. auch zur Kennzeichnung eines Nahrungsergänzungsmittels zu benutzen und/oder benutzen zu lassen;
2. ggü. dem Deutschen Patent- und Markenamt in die Löschung der Marke 29 07 355 einzuwilligen;
3. der Klägerin schriftlich Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Art des Zeitpunktes und der Anzahl der Werbemaßnahmen, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Stückzahlen, bisher erzielter Umsätze sowie Einkaufs- und Verkaufspreise jeder einzelnen Lieferung, aufgeschlüsselt nach Monaten, der Namen des Herstellers, Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer, gewerblicher Abnehmer oder Auftraggeber.
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
Das LG hat die Beklagte mit Urteil vom 15.8.2002 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Zu den tatsächlichen Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Antrag auf Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie wendet sich gegen die Kennzeichnungskraft der Klagemarke und steht auf dem Standpunkt, die sich gegenüberstehenden Begriffe seien u.a. aufgrund des eingefügten Vokals „o” nicht zeichenähnlich. Weiterhin macht die...