Leitsatz (amtlich)

Auch nach technischen Veränderungen einer Tonaufnahme im Sound durch einen „remix” bzw. ein „digitales remastering” zur „Aufbesserung” des Originaltonträgers bleibt grundsätzlich das Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers an der der Überarbeitung zugrundeliegenden Tonaufnahme unberührt. Eine solche Maßnahme führt – jedenfalls in Ansehung der Leistungsschutzrechte des Künstlers – nicht zu einem gesonderten, in seiner Nutzung von der Zustimmung der ausübenden Künstler unabhängigen Rechtserwerb.

 

Normenkette

UrhG §§ 73, 75, 95

 

Verfahrensgang

LG Hamburg

 

Tenor

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 100.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechte zur Veröffentlichung von Tonträgern mit Tonaufnahmen der Musikgruppe AMON DÜÜL II.

Die Antragsgegnerin stellt Tonträger her und vertreibt diese. Sie hat unter dem Label „Gamma Rock” die im Verfügungsantrag im Einzelnen genannten Tonaufnahmen von AMON DÜÜL II veröffentlicht und in den Vertrieb gegeben. Die Antragsgegnerin leitet ihre Rechte aus einer Vereinbarung vom 24.3.1994 (Anlage ASt7) zwischen dem früheren Produzenten von AMON DÜÜL II, Herrn O.K., und ihrem Lizenzgeber, Herrn G.A., her.

Die Antragstellerin sieht in der Veröffentlichung und in dem Vertrieb dieser Tonträger eine Verletzung ihrer ausschließlichen Verwertungsrechte an den darauf enthaltenen Tonaufnahmen. Sie beruft sich auf einen Rechteerwerb im Wege eines Bandübernahmevertrags mit den Mitliedern der Musikgruppe AMON DÜÜL II vom 9.8.2000 (Anlage ASt1), durch den ihr die exklusiven Rechte an den im Verfügungsantrag genannten Plattenproduktionen eingeräumt werden sollten.

Das LG Hamburg hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 7.11.2000 unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel untersagt, Tonträger mit den Tonaufnahmen der Musikgruppe AMON DÜÜL II wie folgt:

– Phallus Dei, Label-Nr. 83807

– Yeti, Label-Nr. 83800

– Tanz der Lemminge, Label-Nr. 83801

– Carnival in Babylon, Label-Nr. 83802

– Wolf City, Label-Nr. 83803

– Vive la Trance, Label-Nr. 83804

zu bewerben, zu verwerten, herzustellen oder herstellen zu lassen sowie in den Verkehr zu bringen oder bringen zu lassen, und diese Entscheidung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urt. v. 22.12.2000 bestätigt. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem form- und fristgerecht eingelegten Rechtsmittel.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das LG hat es der Antragsgegnerin zu Recht aus § 97 Abs. 1 UrhG versagt, die in der einstweiligen Verfügung im Einzelnen genannten Tonträger der Musikgruppe AMON DÜÜL II zu verwerten. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Antragsgegnerin in der Rechtsmittelinstanz bleiben erfolglos. Denn die Antragsgegnerin hat die für eine Veröffentlichung und für einen Vertrieb der Musikproduktionen erforderlichen urheberrechtlichen Verwertungsrechte an den Aufnahmen nicht wirksam erworben. Demgegenüber stehen dem Antragsteller auf der Grundlage seines Bandübernahmevertrages mit den Künstlern der Musikgruppe AMON DÜÜL II Verbietungsrechte gegenüber der unberechtigten Nutzung durch die Antragsgegnerin zu.

1. Der Antragsteller ist aktivlegitimiert. Er hat sowohl die an den streitgegenständlichen Tonträgern bestehenden Tonträgerherstellerrechte aus § 85 UrhG als auch die gem. §§ 73, 75 UrhG bestehenden Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler der Musikgruppe AMON DÜÜL II (Chris Karrer, Lothar Meid, Renate Knaup-Aschauer, John Weinzierl, Peter Leopold, Falk Rogner) wirksam exklusiv erworben und ist damit zur ausschließlichen Verwertung dieser Aufnahmen berechtigt.

a) Die genannten Künstler der Musikgruppe haben dem Antragsteller mit Bandübernahmevertrag (BÜV) vom 09.08.2000 (Anlage ASt1) das „exklusive Recht” übertragen, die streitgegenständlichen Tonträger in Europa zu verwerten (§ 1 BÜV). In diesem Rahmen sind von ihnen „sämtliche Rechte an den Vertragsaufnahmen” (§ 2 BÜV) – und damit ihre Leistungsschutzrechte als ausübende Künstler i.S.v. §§ 73, 75 UrhG, die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers an den Aufnahmen i.S.v. § 85 UrhG sowie etwaige Leistungsschutzrechte Dritter (wie z.B. Studiomusiker, Produzenten usw.) – als ausschließliche Nutzungsrechte übertragen worden, und zwar u.a. mit der Befugnis, die Vertragsausnahmen zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 3 BÜV). Aufgrund dieses Rechtserwerbs ist der Antragsteller befugt, gegen die Veröffentlichung und den Vertrieb der streitgegenständlichen Tonträger durch Dritte vorzugehen, da hierdurch seine ausschließliche Berechtigung beeinträchtigt wird.

b) Die Künstler der Musikgruppe AMON DÜÜL II waren ihrerseits rechtlich auch in der Lage, dem Antragsteller im August 2000 die übertragenen exklusiven Verwertungsrechte wirksam einzuräumen. Denn diese Nutzungsrechte standen ...

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