Leitsatz (amtlich)

1.(a) Die Angabe „mit zero-order-kinetik” für einen Beta- Blocker ist eine fachsprachliche, nicht in den deutschen Sprachgebrauch eingegangene Bezeichnung i.S.d. § 11 Nr. 6 HWG. Dass damit die gleichmäßige Freisetzung des Wirkstoffs in der Retardtablette gemeint ist, erschließt sich dem durchschnittlichen Leser nicht.

(b) Die Angabe „mit zero-order-kinetik” auf der Faltschachtel des Arzneimittels enthält deren Verwendung auch außerhalb der Fachkreise, obwohl der Beta-Blocker verschreibungspflichtig ist; die Angabe begegnet u.a. den Laien als Patienten.

(c) Die Angabe „mit zero-order-kinetik” auf der Faltschachtel ist Werbung i.S.d. § 11 Nr. 6 HWG, sie weist auf den Vorteil des Beta-Blockers durch die gleichmäßige Wirkstofffreisetzung hin. Da die Angabe nicht nach den AMG-Bestimmungen vorgeschrieben ist, bleibt es bei der Anwendung des § 11 Nr. 6 HWG insoweit.

2. Es ist keine rechtsmissbräuchliche Verfahrensvermehrung, wenn der Antragsteller zunächst mit der Unterlassungsverfügung gegen die Bezeichnung auf der Faltschachtel eines Arzneimittels in einer Wirkstoffstärke vorgeht und später dieselbe Bezeichnung für weitere Wirkstoffstärken desselben Mittels mit einer zweiten einstweiligen Verfügung angreift, weil der Verletzer wider Erwarten nur das erste Verbot betreffend die eine Wirkstoffstärke befolgt.

 

Normenkette

BGB § 242; HWG § 11 Nr. 6; UWG § 13 Abs. 5; ZPO § 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 37/02)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 6.2.2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 500.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien vertreiben Arzneimittel, und zwar u.a. verschreibungspflichtige sog. -Rezeptoren-Blocker (Beta- Blocker) und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerin vertreibt das Generika-Arzneimittel „M… O.K. Retardtabletten” in den Wirkstoffstärken zu 50 mg, 100 mg und 200 mg. Auf der äußeren Umhüllung (Faltschachtel) der Arzneimittelpackung steht jeweils der Hinweis: „-Rezeptorenblocker mit zero-order-kinetik” (Anlage ASt 1).

Die Antragstellerin beanstandet diese Angabe als Verstoß gegen § 11 Nr. 6 HWG, § 1 UWG und nimmt die Antragsgegnerin deswegen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch, und zwar vorliegend wegen der Verwendung auf der M…-Faltschachtel der Wirkstoffstärken zu 50 mg und 200 mg.

Im vorangegangenen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums hat die Antragstellerin am 10.1.2002 eine Beschlussverfügung des LG Hamburg (315 O 6/02) er wirkt, und zwar betreffend das Werben mit derselben Angabe auf der Faltschachtel des Arzneimittels „M…-… O.K. 100 mg Retardtabletten”. Mit dem Urteil vom 6.2.2002 hat das LG die Beschlussverfügung bestätigt. Die dagegen gerichtete Berufung (HansOLG Hamburg 3 U 56/02) hat die Antragsgegnerin zurückgenommen. Auf die Beiakte HansOLG Hamburg 3 U 56/02 wird Bezug genommen.

Der mit dem Arzneimittel der Antragsgegnerin konkurrierende Beta-Blocker „B…-…” der Antragstellerin enthält die Wirksubstanz M… – und zwar als M…-Succinat – in einer speziellen, patentgeschützten Galenik, so dass der Wirkstoff bei gleichmäßiger Freisetzung konstante Blutspiegel erzeugt und das Präparat als 1 × 1-Dosierung verabreicht werden kann. In dem Arzneimittel „M…-… O. K. Retardtabletten” der Antragsgegnerin ist – wie bei denen anderer Generika-Hersteller – der Wirkstoff M…-Tartrat enthalten.

Das LG hat mit dem Urteil vom 6.2.2002 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, für das Arzneimittel M…-… OK 50 mg und 200 mg Retardtabletten auf der Faltschachtel mit der Aussage: „-Rezeptorenblocker mit zero-order-kinetik” zu werben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin verteidigt das Urteil des LG.

B. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist demgemäß zurückzuweisen.

I. Der Verfügungsantrag gem. der Beschlussverfügung ist auch nach Auffassung des Senats zulässig.

1. Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Werben für das Arzneimittel „M…-… O. K. Retardtabletten” in den Wirkstoffstärken zu 50 mg und 200 mg jeweils mit der Aussage: „-Rezeptorenblocker mit zero-order-kinetik” auf der Faltschachtel, und zwar nur wegen des Bestandteils: „zero-order-kinetik”. Die Wendung „-Rezeptorenblocker” innerhalb der beanstandeten Angabe ist dabei nicht angegriffen.

Ausgehend vom Verletzungsfall (Anlage ASt 1) geht es bei dem Verbot um die Verwendung der Angabe auf der Faltschachtel, und zwar ohne einen erläuternden Zusatz an jener Stelle.

2. Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt und demgemäß zulässig.

Im Verbot wird allerdings auf das „Werben” mit der beanstandeten Aussage auf der Faltschachtel abgestellt und zwischen den Parteien besteht Streit über die Frage, ob es sich bei der Angabe auf der Faltschachtel um Werbung handelt oder nic...

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