Leitsatz (amtlich)

1. Beim EU-Parallelimport marken-rechtlich geschützter Arzneimittel kann sich der Markeninhaber dem unautorisierten Umpacken in eine neu hergestellte äußere Umverpackung (hier: Faltschachtel) widersetzen (§ 24 MarkenG), weil die betreffende Packungsgröße (hier: 6 Fertigspritzen) durch Bündeln von Packungen mit je 1 Fertigspritze erstellt werden kann.

2. Dass für diese Packungsgröße (6 Fertigspritzen) die Verwendung einer anderen Packungsgröße des Ursprungslandes (hier: 12 Fertigspritzen) wirtschaftlich vorteilhafter wäre, rechtfertigt eine neue Umverpackung statt der Bündelung nicht.

3. Die Sachlage bei einer anderen, zu erstellenden inländischen Packungsgröße (hier: 30 Fertigspritzen) ist wegen des anderen Streitgegenstandes nicht mitzuberücksichtigen.

4. Die Entscheidung des EuGH (EuGH, Urt. v. 19.9.2002 - C-433/00 - Insuman) gilt nur für "zentral" zugelassene Arzneimittel.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 04.03.2003; Aktenzeichen 312 O 434/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 4.3.2003 abgeändert.

Die Beschlussverfügung des LG in der bestätigten Fassung zu Ziff. 2.) wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfügungsverfahrens in beiden Instanzen tragen die Antragstellerin 3/5 und die Antragsgegnerinnen wie Gesamtschuldner 2/5.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland das in ihrem Konzern hergestellte Arzneimittel "P-...-A" zur Behandlung von Virus- und Tumorerkrankungen (Anlage ASt 1). Die Bezeichnung P-... ist für die Schweizer Konzerngesellschaft der Antragstellerin als IR-Marke u.a. in Deutschland marken-rechtlich geschützt (Anlagen ASt 2-3, 19; im Folgenden: Klagemarke), die Antragstellerin ist als Markenlizenznehmerin für Deutschland von der Markeninhaberin beauftragt und bevollmächtigt, gegen Verletzungen der Klagemarke vorzugehen (Anlage ASt 4).

Die Antragsgegnerin zu 1) befasst sich - zusammen mit der Antragsgegnerin zu 2) im Mitvertrieb - mit dem Parallelimport von Arzneimitteln. Die Antragsgegnerinnen vertreiben im Wege des Parallelimports aus Frankreich das Arzneimittel "P-...-A" in neu hergestellten Umverpackungen und mit von ihnen stammenden Gebrauchsinformationen.

Die Verwendung der neuen Umverpackungen und Angaben auf den Gebrauchsinformationen beanstandet die Antragstellerin als Verletzung ihrer Markenrechte und als wettbewerbswidrig. Sie nimmt die Antragsgegnerinnen deswegen im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Die Originalpackungen des Arzneimittels "P-...-A" (Fertigspritzen mit 0,5 ml Injektionslösung) sind in Frankreich in den Dosierungsstärken 3 Mio. I. E. und 4,5 Mio. I. E. jeweils in den Packungsgrößen mit 1 Fertigspritze und 12 Fertigspritzen auf dem Markt (Anlagen ASt 5-6, 16; Bl. 41). In Deutschland sind in beiden Dosierungsstärken jeweils Gebinde mit 6, 12 und 30 Fertigspritzen auf dem Markt.

Die Antragsgegnerinnen vertreiben im Inland das Arzneimittel jeweils in beiden Dosierungsstärken in den Gebindegrößen mit 6, 12 und 30 Fertigspritzen. Sie verwenden für die Packungsgröße mit 6 Fertigspritzen eine neu hergestellte Umverpackung (Anlagen ASt 10-11). Durch Bündeln solcher Packungen mit 6 Fertigspritzen erstellen sie die Packungsgröße mit 30 Fertigspritzen (Anlagen ASt 12-13).

Bei sämtlichen Packungsgrößen des umgepackten Arzneimittels - auch für die Packungsgröße mit 12 Fertigspritzen in überklebter Originalumverpackung (Anlagen ASt 8-9) - ist eine Gebrauchsinformation beigefügt, die ausschließlich folgende Herstellerangaben enthält:

"Pharmazeutischer Unternehmer: E-... Arzneimittel GmbH, D-0000 F. für das Inverkehrbringen in der Bundesrepublik Deutschland freigegeben durch M Pharma GmbH, D-0000 F." (Anlagen ASt 8-13).

Diese Gebrauchsinformationen weisen keinen Hinweis auf das ursprüngliche Hersteller-Unternehmen der Antragstellerin auf. Dagegen befindet auf der äußeren Umverpackung jeweils der Hinweis: "Hersteller: Produits R-... S. A., Deutschland. Umverpackt M Pharma GmbH, ein herstellerunabhängiges Unternehmen -" (vgl. Anlagen ASt 8-13).

Das LG hat in seiner Beschlussverfügung vom 1.8.2002 den Antragsgegnerinnen unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel verboten,

1. das Arzneimittel "P-...-A" (Fertigspritzen mit 0,5 ml Injektionslösung) in den Dosierungsstärken 3 Mio. I. E. und/oder 4,5 Mio. I. E. französischen Ursprungs für den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland in neue äußere Umverpackungen mit 6 Fertigspritzen umzupacken und auf diesen Packungen die Marke "P-..." anzubringen und/oder derart gekennzeichnete Umverpackungen feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen,

2. das Arzneimittel "P-...-A" mit Gebrauchsinformationen in Verkehr zu bringen, in denen der ursprüngliche Hersteller nicht angegeben ist und/oder die die Angabe enthalten: "Für das Inverkehrbringen in der Bundesrepublik Deutschland fre...

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