Leitsatz (amtlich)
1. Der Zulässigkeit einer auf kartellrechtlicher Grundlage erhobene Klage eines Kabelnetzbetreibers auf Zahlung von Schadensersatz wegen der kartellrechtswidrigen Nichtzahlung von Entgelten für die Einspeisung öffentlich rechtlicher - must-Carry - Fernsehprogramme steht eine im Zusammenhang mit der urheberrechtlichen Vergütung nach § 87 UrhG getroffene Schiedsvereinbarung nicht entgegen.
2. Durch den Abschluss eines Lizenzvertrages zwischen einem Kabelnetzbetreiber und der GEMA, mit dem dem Kabelnetzbetreiber für den Fall, dass er gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt keine Einspeiseentgelte verlangt, eine Ermäßigung der GEMA-Gebühren versprochen wird, erklärt sich der Netzbetreiber nicht schon mit einer unentgeltlichen Einspeisung der Programme der Rundfunkanstalt einverstanden und verzichtet er im Verhältnis zu dieser auch nicht auf eine Einspeisevergütung (Anschluss an BGH, WuW 2016, 427, Rn. 51 - NetCologne).
3. Zu den Anforderungen an eine Substantiierung des Vorbringens zu einer schadensersatzbegründenden missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung.
Normenkette
GWB §§ 1, 19 Abs. 2, 4 Nr. 2, § 20 Abs. 1, § 33 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, Az. 315 O 132/14, wird zurückgewiesen. Im Umfang der im Berufungsverfahren erfolgten Klagerweiterung wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil und das angegriffene Urteil sind vorläufig ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung aus dem jeweiligen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt aus dem jeweiligen Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Vergütung für die Einspeisung von Fernsehprogrammsignalen in ihr Kabelnetz im Großraum Hamburg für die Jahre 2008 bis 2012.
Die Klägerin ist ein regionaler Kabelnetzbetreiber und Anbieter von Telefonie- und Internetdiensten im Großraum Hamburg. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke ..., die im Eigentum der Stadt ... stehen. In der Stadt Hamburg kooperiert die Klägerin mit mehreren Wohnungsbaugesellschaften; seit dem Jahr 2008 insbesondere mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG/SAGA. Der Anschluss der GWG/SAGA-Wohnungen an das Kabelnetz begann im vierten Quartal 2008 und war Ende 2009 mit insgesamt 128.297 Wohneinheiten abgeschlossen. Die Klägerin verfügt über ein den gesamten Großraum Hamburg durchziehendes Kabelnetz (sog. "Backbone") der Netzebene 3. Weiterhin liefert die Klägerin das Fernsehsignal an einige Partner mit eigenen Netzen der Netzebene 3. Die Klägerin verfügt über eine sogenannte Kopfstation in Norderstedt, mit der sie die per Satellit gesendeten Fernsehsignale der von ihr verbreiteten TV-Sender empfängt und in das eigene Kabelnetz einspeist. Das TV-Angebot der Klägerin umfasste im Jahr 2011 56 analoge Free-TV Sender und 185 digitale Free-TV-Sender. Die Klägerin verbreitet die Programme der Beklagten analog und digital und zwar in Standard-Definition (SD) und High-Definition (HD) (vgl. Anlage K 2).
In Hamburg gab es im Jahr 2011 rund 940.000 TV-Haushalte. Davon waren rund 750.000 an ein Kabelnetz angeschlossen. Wettbewerber der Klägerin in Hamburg ist insbesondere die Kabel Deutschland Vertriebs und Service GmbH (nachfolgend Kabel Deutschland). Kabel Deutschland hatte 2011 in Hamburg ca. 495.000 TV-Haushalte an ihr Kabelnetz angeschlossen und verfügte zu diesem Zeitpunkt über einen Marktanteil von ca. 68,8 %, die Klägerin von ca. 18,5 % und die weiteren Anbieter willy.tel von ca. 11,4 % und Martens Deutsche Tele Kabel von ca. 5,2 %. In Schleswig-Holstein hatte Kabel Deutschland im Jahr 2011 ca. 615.000 Kabel TV-Haushalte angeschlossen.
Die Klägerin erzielte im Jahr 2011 einen Umsatz von rund 31 Millionen EUR. Davon entfielen knapp 8 Millionen EUR auf den Bereich des Kabelfernsehens. Den weiteren Umsatz erzielt die Klägerin mit Telefonie- und Internetdiensten. Kabel Deutschland erzielt insgesamt einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden EUR.
Die Beklagte ist die Veranstalterin des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), namentlich des Vollprogramms "ZDF", sowie der Zusatzprogramme "ZDFInfo" (bis zum 5. September 2011 "ZDF-Infokanal"), "ZDFkultur" (bis zum 7. Mai 2011 "ZDFtheaterkanal") und "ZDFneo" (bis zum 1. November 2009 "ZDF-Familienkanal"). Ferner ist die Beklagte gemeinsam mit der ARD an den Gemeinschaftsprogrammen "arte", "3sat", "KIKA" und "Phoenix" beteiligt.
Die ZDF-Programme hatten in den Jahren 2005 bis 2010 einen Zuschaueranteil von 12-14%, die öffentlich-rechtlichen Programme insgesamt von knapp 43%.
Das Z...