Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Herabsetzung des Haftkapitals ist eine vormals begründete Außenhaftung des Kommanditisten für Altverbindlichkeiten analog § 160 HGB auf fünf Jahre begrenzt.
2. Für den Fristbeginn des § 160 HGB ist nicht erst auf die spätere Eintragung der Herabminderung der Haftsumme in das Handelsregister abzustellen, wenn die Gläubiger bereits zuvor positive Kenntnis von der Herabsetzung des Haftkapitals hatten (Anschluss an OLG Dresden, Beschluss vom 8. Juli 2019 - 8 U 925/19; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 20 U 8/19; Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. August 2019 - I-6 U 156/18).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.03.2019, Az. 332 O 94/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 90.000,- festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schiffahrtsgesellschaft MS "Fl." mbH & Co. KG, einer Publikums-KG, nimmt die Beklagte, Kommanditistin der Schuldnerin, unter dem Gesichtspunkt der nach Rückgewähr von Ausschüttungen wiederaufgelebten Außenhaftung in Anspruch. Im Kern streiten die Parteien im Berufungsverfahren darum, wie sich eine zwischenzeitlich erfolgte Herabsetzung der Haftsumme der Kommanditisten auf deren Haftung ausgewirkt hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. März 2019 (Bl. 82 ff. d.A.) verwiesen.
Ergänzend ist festzustellen:
Zum 14. Dezember 2012 wurde im Gesellschafterkreis der Schuldnerin im Zuge eines Sanierungskonzepts im schriftlichen Verfahren der Beschluss gefasst, die Hafteinlagen der Kommanditisten um die Summe der erhaltenen Ausschüttungen zu verringern und die Hafteinlagen sodann auf 10 % des sich hieraus ergebenden Betrags herabzusetzen. Die Herabsetzung des Haftkapitals wurde am 16. Juli 2013 in das Handelsregister eingetragen. Für die Beklagte ergab sich insoweit eine Herabsetzung der im Handelsregister ausgewiesenen Hafteinlage auf EUR 41.000,- (vgl. Anlage B 15, S. 29). Die Beschlussfassung über die Herabsetzung des Haftkapitals der Kommanditisten war den beiden Hauptgläubigern der Schuldnerin, der K-Bank und der H., die in die Sanierungsüberlegungen einbezogen worden waren, im Dezember 2012 bekannt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die §§ 171 ff. HGB seien auf die Beklagte anwendbar. Der Zeichner der Beteiligung und Rechtsvorgänger der Beklagten (...) habe sich mit einer eingetragenen Haftsumme von EUR 500.000,- an der Schuldnerin beteiligt, mittelbar über eine Treuhandkommanditistin, im Jahr 2005 im Wege der Umschreibung unmittelbar als Kommanditist. Die im Jahr 2009 in der Erbfolge als Kommanditistin eingetragene Beklagte hafte infolge der Ausschüttungen in den Jahren 2006 / 2007 nach außen, da auch sie zunächst in Höhe der ursprünglichen Haftsumme eingetragen worden sei und erst später eine Reduzierung der Haftsumme (mit) herbeigeführt habe. Es bestünden berechtigte, zur Tabelle festgestellte Forderungen von Gläubigern der Schuldnerin, u.a. eine Forderung der K-Bank i.H.v. rd. EUR 13,5 Mio. Dem Erblasser sei seine Einlage i.H.v. EUR 90.000,- über die Treuhandkommanditistin zurückgezahlt worden, wie insbesondere die vom Kläger eingereichten Unterlagen belegten. Zum Zeitpunkt der Ausschüttungen seien die Kapitalkonten der Kommanditisten unter den Betrag der jeweiligen Hafteinlage gemindert gewesen, weshalb es sich nicht um Gewinnausschüttungen gehandelt habe. Die Beklagte könne sich nicht auf den Gutglaubensschutz nach § 172 Abs. 5 HGB berufen, da eine unrichtige Bilanz nicht vorgelegen habe.
Der Anspruch des Klägers sei auch nicht in Ansehung der später beschlossenen Haftsummenherabsetzung ausgeschlossen. Die K-Bank als Altgläubigerin brauche die Herabsetzung nach § 174 HGB nicht gegen sich gelten zu lassen. Zwar komme in Betracht, dass die Beklagte für die vor der Haftsummenreduzierung begründeten Forderungen analog § 160 HGB nur noch bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Einlagenreduzierung voll zu haften habe. Diese Frist habe aber nicht vor der Eintragung der Haftsummenreduzierung in das Handelsregister am 16. Juli 2013 zu laufen begonnen. Die Klage sei vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist, am 29. März 2018, erhoben worden.
Gegen das ihr am 1. April 2019 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 25. April 2019 eingegangenen und - nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 1. Juli 2019 - am 26. Juni 2019 begrün...