Leitsatz (amtlich)

1. Einer Willenserklärung, deren Wortlaut den wahren Willen des Erklärenden bei Abgabe der Erklärung zutreffend wiedergibt, kann nicht nachträglich zu Lasten des Erklärungsempfängers ein abweichender Inhalt beigemessen werden, nur weil für den mit der Erklärung bezweckten Erfolg eine Erklärung anderen Inhalts erforderlich gewesen wäre.

2. Aus der Generalklausel des § 242 BGB ergibt sich keine Fürsorgepflicht des einen Vertragspartners, gleichrangige eigene Interessen gegenüber den Belangen der anderen Vertragspartner zurückzustellen und diese gegen die eigenen Interessen zu beraten.

3. Änderungen des Mietzwecks bzw. der zulässigen Nutzungen der Mietsache sind stets wesentliche Vertragsinhalte, die zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 550 BGB der Schriftform bedürfen.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 316 O 281/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26.07.2023, Az. 316 O 281/22, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, das Grundstück T..., einschließlich sämtlicher Räume des hierauf befindlichen Bürogebäudes zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR und hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung hinsichtlich der Hauptsache Sicherheit in Höhe von 50.000 EUR und hinsichtlich der Kosten Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Gegenstandswert wird auf 62.481,24 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt als Vermieterin von den Beklagten zu 1) und 2) als Mietern, der Beklagten zu 3) als im Mietobjekt ansässiger Anwaltssozietät und den Beklagten zu 4) und 5) als weiteren (ehemaligen) Gesellschaftern der Beklagten zu 3) die Räumung einer Büroimmobilie nach ordentlicher Kündigung des Gewerbemietvertrags.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26.10.2023) zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Einer Beendigung des Mietvertrages stehe entgegen, dass der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 13.06.2022 (Anlage K 8) die Option, das Mietverhältnis um 5 Jahre zu verlängern, wirksam ausgeübt habe.

Die Auslegung dieses Schreibens ergebe letztlich, dass der Beklagte zu 1) diese Erklärung im eigenen Namen und nicht im Namen seiner Anwaltssozietät, der Beklagten zu 3), abgegeben habe.

Dass der Beklagte zu 1) die Option nicht auch im Namen der Beklagten zu 2) als Mitmieterin ausgeübt habe, schade nicht. Gemäß § 20 Abs. 2 des Mietvertrages (Anlage K 1) reiche die Erklärung nur eines Mieters aus. Auf eine etwaige agb-rechtliche Unwirksamkeit dieser von der Vermieterseite gestellten Klausel könne sich die Klägerin als Vermieterin nicht berufen.

Ein ordentliches Kündigungsrecht vor Ablauf der Vertragslaufzeit folge auch nicht aus §§ 550, 578 BGB. Es liege kein Schriftformverstoß vor. Der Ursprungsvertrag, die Zusatzvereinbarung vom 27.06.1991 und die Nachträge vom 17.04/08.05.2003 und vom 09./16.10.2007 genügten jeweils für sich der Schriftform. Die Zusatzvereinbarung vom 09./16.10.2007 nehme auch hinreichend konkret auf den Mietvertrag und den Nachtrag vom 17.04./08.05.2003 Bezug. Die fehlende Bezugnahme auch auf die Zusatzvereinbarung vom 27.06.1991 schade nicht, weil die vertragswesentlichen Regelungen zur Untervermietungserlaubnis und zu Optionsrechten durch nachfolgende Vereinbarungen überholt seien, zur Mietkaution keine Vertragsänderung vereinbart sei und die Vereinbarungen zum Mietzweck und zur Gartenpflege nicht vertragswesentlich seien.

Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin weiter die Räumung und Herausgabe des Mietobjekts.

Die Klägerin nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügt, das Landgericht habe die die Ausübung des Optionsrechts betreffende Erklärung vom 13.06.2022 (Anlage K 8) falsch ausgelegt. Sie wiederholt, dass diese Erklärung im Namen der Beklagten zu 3) erfolgt sei und dass sie die Erklärung auch so verstanden habe. Als neu in das Mietverhältnis eingetretene Vermieterin sei sie im Juni 2022 selbst über die Person des Mieters im Unklaren gewesen und daher zunächst davon ausgegangen, dass Mieterin die Beklagte zu 3) sei. Auch frühere Korrespondenz und der Umstand, dass die Mietzahlungen vom Konto der Beklagten zu 3) erfolgt seien, hätten eine Mieterstellung der Beklagten zu 3) nahegelegt. Erst im Juli 2022 habe sie nach einer rechtlichen Prüfung Gewissheit erlangt, dass nicht die Beklagte zu 3), sondern die Beklagten zu 1) und 2) Mieter seien.

Was der Beklagte zu 1) hätte erklären wollen, wenn er im Zeitpunkt der Ausübung der Verlängerungsoption nicht davon ausgega...

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