Leitsatz (amtlich)
›Eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG kommt bei einem Schaden durch einen verschuldeten KFZ-Unfall durch den Sohn des Versicherungsnehmers nicht in Betracht.‹
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 9 O 280/05) |
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aufgrund eines von ihr regulierten Haftpflichtschadens in Regress.
Der am 23.03.1987 geborene Beklagte verursachte am 05.04.2003 mit dem bei der Klägerin haftpflichtversichertem Pkw seiner Mutter in I einen Verkehrsunfall. Er richtete - u. a. aufgrund überhöhter Geschwindigkeit - an einem geparkten Pkw einen - von der Klägerin regulierten - Schaden in Höhe von insgesamt 5.874,93 EUR an. Nach dem Unfall entfernte sich der Beklagte von dem Unfallort. Eine Polizeistreife griff den Beklagten gegen 0.45 Uhr auf. Eine ihm entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 0,82 Promille. Der Beklagte befand sich nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis; seine Mutter, mit der der Beklagte zum Unfallzeitpunkt in häuslicher Gemeinschaft lebte, hatte ihm die Nutzung des Pkw nicht gestattet.
Dem Anspruch der Klägerin hat der Beklagte entgegengesetzt, dass er wegen des Familienprivilegs analog § 67 Abs. 2 VVG von der Haftung befreit sei. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt und dabei eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG abgelehnt.
Mit der Berufung, für deren Durchführung er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt, beruft er sich weiterhin (und lediglich) auf § 67 Abs. 2 VVG.
II.
Dem Beklagten war Prozesskostenhilfe zu versagen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Die Klage ist begründet. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen der Klägerin den geltend gemachten Anspruch dem Grunde und der Höhe nach zuerkannt. Der Beklagte kann sich gegenüber der Klägerin nicht erfolgreich auf das in § 67 Abs. 2 Satz 1 VVG normierte Familienprivileg berufen.
1.) Der Anspruch der Klägerin ist - bei vorläufiger Ausblendung des § 67 Abs. 2 VVG - dem Grunde und der Höhe nach nicht im Streit. Der Anspruch folgt aus § 426 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB, § 3 Nr. 2, 9 PflVG, § 10 Nr. 2 AKB. Die Leistungsfreiheit der Klägerin gegenüber dem Beklagten als mitversicherte Person folgt aus § 2 b Nr. 1 b, c, e AKB , weil der Beklagte zum Unfallzeitpunkt nicht berechtigt war, den Pkw zu führen, er nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis besaß und er in Folge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, den Pkw sicher zu führen. Daneben ist die Klägerin nach §§ 7 I Nr. 2 AKB, 7 V AKB leistungsfrei, weil der Beklagte vorsätzlich die Aufklärungsobliegenheit verletzte, als er sich unerlaubt vom Unfallort entfernte.
Aus der Verletzung der Obliegenheiten gem. § 2 b AKB folgt vorliegend eine Leistungsfreiheit von 5.000,00 EUR (§ 2 b Nr. 2 AKB), aus § 7 V Nr. 2 AKB ergibt sich eine Leistungsfreiheit in Höhe von 2.500,00 EUR. Der Versicherer kann sich auf die Addition dieser Beträge berufen (BGH, Urteil vom 14. September 2005 - Az: IV ZR 216/04 - VersR 2005, 1720). Der geltend gemachte Betrag liegt unter diesem Gesamtbetrag.
2.) Der Rückgriffsanspruch der Klägerin ist nicht nach § 67 Abs. 2 Satz 1 VVG ausgeschlossen.
a) Eine unmittelbare Anwendung der vorgenannten Vorschrift kommt nicht in Betracht. Der Haftpflichtversicherer erfüllt mit der Schadensersatzzahlung eine eigene Verpflichtung; der Versicherer erwirbt den Rückgriffsanspruch gegen den Fahrer nicht gemäß § 67 Abs. 1 VVG vom Versicherungsnehmer, sondern gemäß § 426 Abs. 2 BGB unmittelbar vom Haftpflichtgläubiger. Der Versicherer erwirbt bei der Befriedigung der Haftpflichtansprüche auch nicht gleichzeitig gemäß § 67 Abs. 1 VVG den Ausgleichsanspruch des Halters (hier: Mutter des Beklagten) gegen den Fahrer (hier: der Beklagte). Zwar steht im Falle gesamtschuldnerischer Haftung zwischen Halter und Fahrer bei gleichzeitiger Alleinhaftung des Fahrers im Innenverhältnis dem Halter gegenüber dem Fahrer ein Befreiungsanspruch zu, solange der Haftpflichtgläubiger noch nicht befriedigt ist. Dieser Anspruch des Halters (gegen den Fahrer) lässt den Dekkungsanspruch des Halters gegen den Versicherer aus dem Versicherungsvertrag unberührt. Der Befreiungsanspruch besteht aber nur solange neben dem Deckungsanspruch, wie der Haftpflichtgläubiger von dem Versicherer noch nicht befriedigt worden ist. Nach Befriedigung durch den Versicherer ist der Anspruch gegenstandslos. Da § 67 Abs. 2 VVG eine Ausnahme von der Regel des § 67 Abs. 1 VVG darstellt, kann § 67 Abs. 2 VVG nicht eingreifen, wenn der Tatbestand des § 67 Abs. 1 VVG nicht vorliegt (vgl. zum Ganzen: BGH VersR 1984, 327; VersR 1988, 1062).
b) Eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.
aa) Der BGH hat sich in seinen Urteilen vom 18. Januar 1984 - Az: IVa ZR 73/82 VersR 1984, 327 - und vom 13. Juli 1988 - Az: IVa ZR 55/87, VersR 1988, 1062 - gegen eine analoge Anwendung der vorgenannten Vorschrift ausgesprochen. Danach reicht allein der Schutzzweck der Norm (Schutz ...