Leitsatz (amtlich)
Will der Tatrichter vom Regelfall der Verhängung eines nach der BKatV indizierten Fahrverbots absehen, so bedarf es einer eingehenden, auf Tatsachen gestützten Begründung. Die Entscheidung, dass trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat, unterliegt in erster Linie der Würdigung des Tatrichters.
Verfahrensgang
AG Lüdenscheid (Entscheidung vom 07.08.2006) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird auf Kosten der Staatskasse als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Landrat des Märkischen Kreises hat mit Bußgeldbescheid vom 15. Februar 2006 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße in Höhe von 100,00 EUR sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats mit der Maßgabe nach § 25 Abs. 2 a StVG festgesetzt.
Auf den hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Lüdenscheid ihn durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 200,00 EUR verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat es abgesehen.
Es hat u.a. folgende persönliche und tatsächliche Feststellungen getroffen:
"I.
Der nicht vorbelastete Betroffene ist Hilfsarbeiter. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein monatliches Nettoeinkommen ist unterdurchschnittlich.
II.
"Am 10.01.2006 gegen 16.46 Uhr befuhr der Betroffene als Fahrzeugführer in Neuenrade die Dahler Straße mit einem VW Wohnmobil mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX. Er befand sich innerhalb geschlossener Ortschaft, fuhr aber stadtauswärts in Annäherung an den Ortsausgang. Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h hielt er aufgrund unaufmerk-samen Verhaltens nicht ein. Er fuhr 81 km/h.
Die erhöhte Geschwindigkeit wurde mit einem Laser-Gechwindigkeits-messgerät vom Typ LR 90-235/P, das geeicht war, aus einer Entfernung von 107 m gemessen. Das Display des Messgerätes wies eine Geschwindigkeit von 84 km/h auf. Unter Berücksichtigung eines Toleranzabzuges von 3 km/h ergibt sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h innerorts. Das Messgerät arbeitete einwandfrei. Der Messbeamte J. bediente es ordnungsgemäß.
Das Fahrzeug des Betroffenen wurde alsbald angehalten. Der Betroffene räumte sein Fehlverhalten gegenüber der Polizei ein und entschuldigte sich damit, dass er nicht gedacht habe, so schnell zu fahren."
Das Absehen von der Verhängung des noch im Bußgeldbescheid gem. § 4 Abs. 2 BKatV festgesetzten einmonatigen Regelfahrverbotes hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
"Das Gericht hat ausnahmsweise von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen. Es ist davon überzeugt, dass der mit dem Fahrverbot verfolgte Erziehungszweck bei dem Betroffenen auch durch eine hohe Geldbuße - hier 200,00 EUR - erreicht werden kann. Eine Geldbuße von 200,00 EUR trifft den Betroffenen, der von einem Hilfsarbeiterlohn lebt und drei Familienmitglieder unterhalten muss, besonders schwer.
Hinzu kommt, dass der Betroffene in Wechselschicht bei einer Entfernung zum Arbeitsplatz von knapp 15 km arbeitet. Es ist gerichtsbekannt, dass er von Neuenrade aus seine Arbeitsstelle zu den seiner Schicht entsprechenden Tages- und Nachtzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln teilweise nur schwer oder gar nicht erreichen kann. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte das Fahrverbot während seines Jahresurlaubes vollstrecken lassen kann. Der Betroffene hatte in der Zeit vom 26.06. bis zum 01.08.2006 Jahresurlaub, den er in der Türkei verbracht hat. Wenngleich er zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass ein Bußgeldverfahren mit drohendem Fahrverbot gegen ihn anhängig war, hat es das Gericht in dem vorliegenden Fall nicht für zumutbar erachtet, von der geplanten Urlaubsreise in sein Heimatland Abstand zu nehmen. Zum einen ging es hierbei erkennbar um die Aufrechterhaltung seiner familiären Bindungen zu Verwandten und Bekannten in der Türkei. Zum anderen würden es die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen nicht erlaubt haben, seine Urlaubsreise in die Türkei zusammen mit seiner Familie etwa mit öffentlich zugänglichen Verkehrsmitteln wie einem Flugzeug durchzuführen; sein Wohnmobil hat er sich erkennbar angeschafft, um derartige lange Reisen zusammen mit seiner Familie kostengünstiger durchzuführen.
Schließlich konnte das Gericht nicht unberücksichtigt lassen, dass der unvorbelastete Betroffene bei einer nur um 1 km/h geringeren Geschwindigkeit, nämlich bei einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h, lediglich eine Geldbuße von 60,00 EUR verwirkt hätte; ein Fahrverbot wäre in diesem Fall nach der Bußgeldkatalogverordnung nicht anzuordnen gewesen.
In einer Gesamtschau erscheinen dem Gericht die hier zu berücksichtigenden Umstände so gravierend, dass von einer erheblichen Härte für den Betroffenen im Falle eines Fahrverbotes ausgegangen werden müsste. Es hat daher von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen, nicht ohne die R...