Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteil im OWiG-Verfahren: Rechtsfolgen des Fehlens einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift im Fall der Rechtsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Ebenso wie im Revisionsverfahren sind Gegenstand der Überprüfung eines Urteils durch das Rechtsbeschwerdegericht in sachlich-rechtlicher Hinsicht allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben, und ist hierbei das Fehlen einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift - abgesehen von dem Fall des Fehlens nur einer richterlichen Unterschrift bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht - dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen (vgl. Senat, Beschluss vom 20.12.2016 - III-1 RVs 94/16 -, juris).
Normenkette
StPO § 275 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1; OWiG § 71 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Dortmund (Aktenzeichen 6 Ss OWi 210/19) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 14.11.2018 wurde gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Lkw, obwohl die Verkehrssicherheit durch den Verstoß gegen eine Vorschrift über Bremsen wesentlich beeinträchtigt wurde, in Tateinheit mit fahrlässigem Führen eines Lkw, obwohl die Verkehrssicherheit durch den Verstoß gegen eine Vorschrift über Einrichtungen zur Verbindung von Fahrzeugen wesentlich beeinträchtigt wurde, in Tateinheit mit fahrlässigem Führen einer Fahrzeugkombination, obwohl das zulässige Gesamtgewicht um 14 % = 5.600 kg überschritten war, in Tateinheit mit fahrlässiger Inbetriebnahme eines Fahrzeuges, obwohl die Betriebserlaubnis erloschen war, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt war, in Tateinheit mit unterlassener verkehrssicherer Ladungssicherung eine Geldbuße von 400,00 Euro verhängt.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend gemacht wird.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache zumindest vorläufig teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Dortmund.
Das angefochtene Urteil hält materiell-rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, da es insofern bereits an der notwendigen Prüfungsgrundlage fehlt.
Ebenso wie im Revisionsverfahren sind Gegenstand der Überprüfung eines Urteils durch das Rechtsbeschwerdegericht in sachlich-rechtlicher Hinsicht allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 30.04.2018 - 3 Ss OWi 602/18 -, juris; zur Revision vgl. Senat, Beschluss vom 20.12.2016 - III-1 RVs 94/16 -, juris; OLG Köln, NStZ-RR 2011, 348; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 337 Rn. 27; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 337 Rn. 22). Das Fehlen einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift ist hierbei - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des Fehlens nur einer richterlichen Unterschrift bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht - dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen (vgl. BGH, NStZ 2001, 219; OLG Saarbrücken, NJOZ 2016, 1890; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2016, 287; OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 24) und führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, wenn nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 S. 2 StPO die Unterschrift auch nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; KK-Greger, a.a.O., § 275 Rn. 68; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 275 Rn. 29).
So liegt der Fall hier, da die Unterzeichnung des vorliegend angefochtenen Urteils nicht den Anforderungen genügt, die von der Rechtsprechung an eine Unterschrift gestellt werden.
Der erkennende Richter hat das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben (§ 275 Abs. 2 S. 1 StPO), was einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individueller Schriftzug erfordert, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert (vgl. so und zum Folgenden Senat, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.; allg. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einl. Rn. 129, jew. m. w. N.). Dazu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes; ausreichend ist vielmehr, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Das setzt allerdings voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Sch...