Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Abgrenzung zwischen dynamischen und statischen Anwartschaften
Leitsatz (amtlich)
Die Rentenanwartschaften bei der Pensionskasse Deutscher Eisen- und Straßenbahnen sind - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 30.8.2005, OLGReport Hamm 2007, 111 ff., aufgehoben durch den Beschluss des BGH v. 6.2.2008 - XII ZB 180/05 -, FamRZ 2008, 862 ff.) - sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als statisch zu bewerten.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3-4; BetrAVG § 16 Abs. 1, 3; VAHRG a.F. § 10a
Verfahrensgang
AG Essen (Urteil vom 28.01.2005; Aktenzeichen 109 F 332/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Pensionskasse E (kurz: E) wird das am 28.1.2005 verkündete Scheidungsverbundurteil des AG - Familiengericht - Essen hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Vom Versicherungskonto Nr. ...076 des Antragsgegners bei der S werden auf das Versicherungskonto Nr. ...516 der Antragstellerin bei der X Rentenanwartschaften i.H.v. insgesamt 193,03 EUR monatlich, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.10.2002, übertragen.
Der Monatsbeitrag der übertragenen Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Rechtsbeschwerde werden gegeneinander aufgehoben. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung der ersten Instanz.
Der Beschwerdewert beträgt 1.000 EUR.
Gründe
I. Das Familiengericht hat mit der angefochtenen Entscheidung auf den dem Antragsgegner am 19.11.2002 zugestellten Antrag der Antragstellerin durch Verbundurteil die am 7.6.1985 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Beide Parteien haben in der Ehezeit vom 1.6.1985 bis zum 31.10.2002 (§ 1587 II BGB a.F.) Rentenanwartschaften erworben. Die von der Antragstellerin bei der X (kurz: X) erworbenen Rentenanwartschaften betragen monatlich 114,46 EUR, die vom Antragsgegner bei der S (kurz: S) erwobenen Anwartschaften betragen 473,91 EUR monatlich. Zusätzlich verfügt der Antragsgegner über Rentenanwartschaften bei der E mit einem Ehezeitanteil von 1.474,92 EUR jährlich. Die E war bis zum 31.12.2005 eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Sie hat ihre Rechtsform mit Wirkung zum 1.1.2006 in einen rechtsfähigen Verein auf Gegenseitigkeit (VVaG) umgewandelt. Sie finanziert ihre Verpflichtungen im Wege der Anwartschaftsdeckung. Zu diesem Zweck ist nach § 57 der Satzung der E mindestens alle drei Jahre durch einen versicherungsmathematischen Sachverständigen im Rahmen eines der Aufsichtsbehörde einzureichenden Gutachtens eine Prüfung ihrer Vermögenslage vorzunehmen. Ein sich nach den erforderlichen Verlustrücklagen ergebender Überschuss ist nach § 57 III ihrer Satzung der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen zuzuführen, die durch Beschluss der Hauptversammlung zur Erhöhung oder Erweiterung der Leistungen oder zur Ermäßigung der Beiträge oder für alle genannten Zwecke zugleich zu verwenden sind.
Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es im Wege des Rentensplittings vom Rentenversicherungskonto des Antragsgegners bei der S2 (jetzt: S) Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 179,73 EUR bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.10.2002 auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der X2 (jetzt: X) übertragen, sowie im Wege des analogen Quasisplittings weitere 17,32 EUR zu Lasten der für den Antragsgegner bei der Beschwerdeführerin, der E, bestehenden Versorgungsanwartschaften auf dem gesetzlichen Rentenversicherungskonto der Antragstellerin begründet hat. Bei der Berechnung der betrieblichen Rentenanwartschaft des Antragsgegners ist es davon ausgegangen, dass diese im Anwartschaftsstadium als statisch und im Leistungsstadium als dynamisch zu bewerten ist.
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit dem Antrag, das Urteil des AG - Familiengerichts - Essen vom 28.1.2005 dahingehend abzuändern, dass anstelle von 17,32 EUR lediglich 10,50 EUR bezogen auf das Ende der Ehezeit zu Lasten der E, auf dem gesetzlichen Rentenversicherungskonto der Ehefrau bei der X2 begründet werden.
Zur Begründung führt sie aus, das Familiengericht habe bei der Umrechnung der Rentenanwartschaft bei der E den Tabellenbarwert zu Unrecht um den Faktor 1,65 erhöht, denn die Anwartschaft sei sowohl im Anwartschafts-, wie im Leistungsstadium als statisch zu behandeln. Sie beruft sich darauf, in ihrer Satzung kein Versprechen abgegeben zu haben, die erwirtschafteten Überschüsse zur Erhöhung der laufenden Renten zu verwenden, weil sie von der Anpassungsmöglichkeit nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG keinen Gebrauch gemacht habe. Im Übrigen sei zukünftig mit einer nennenswerten Erhöhung der Renten im Leistungstadium nicht zu rechnen. Anders als die gesetzliche Rentenversicherung und die Besamtenversorgung müsse sie auf veränderte Situationen mit der Erhöhung von Deckungsrückstellungen reagieren. Infolge eines gesetzlich angeordnete...