Leitsatz (amtlich)
Das Verfahren zur Gerichtsstandbestimmung wird nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen, wenn eine Partei insolvent ist. Im Fall des § 36 I Nr. 6 ZPO können beide Parteien eine Gerichtsstandbestimmung beantragen.
Haben sich zwei Gerichte im Sinne von § 36 I Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, ist über die Bindung der Beschlüsse in dem Verfahren zu Gerichtsstandbestimmung zu entscheiden. Eine solche Entscheidung hat auf Antrag einer Partei auch dann zu ergehen, wenn eines der Gerichte zur Rück- bzw. Annahme des Verfahrens bereit ist.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 240
Verfahrensgang
AG Siegen (Aktenzeichen 14 C 1257/16) |
Tenor
Zuständig ist das AG Offenburg.
Gründe
I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat auf Antrag der Beklagten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.
Der Kläger nimmt die Beklagte mit der vor dem AG Siegen erhobenen Klage auf Ersatz des Kaufpreises für eine Küche in Anspruch. Nach seinem Vorbringen hat er der Beklagten eine Küche in deren damaliger Wohnung in C/L (AGbezirk Siegen) leihweise zur Verfügung gestellt. Diese hat die Küche weiterverkauft und ist in den Bezirk des AG Offenburg verzogen. Der Kläger hat die Zuständigkeit des AG Siegen in der Klageschrift mit dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung begründet.
Das AG Siegen hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Parteien darauf hingewiesen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht einschlägig sei und eine unerlaubte Handlung nicht vorgetragen werde. Der Beklagten werde eine vertragliche Pflichtverletzung vorgeworfen. Gleichzeitig hat es angefragt, ob Verweisung beantragt werde, und der Beklagten Gelegenheit zu einem etwaigen Verweisungsantrag binnen 2 Wochen gegeben.
Der Kläger hat daraufhin ausgeführt, der Verkauf der Küche und die Verwendung des Erlöses seien eine bewusste Beschädigung des Eigentums des Klägers und damit eine unerlaubte Handlung. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.08.2016 ihrerseits Verweisung an das für ihren Wohnsitz zuständige AG Offenburg beantragt.
Diesen Schriftsatz hat das AG Siegen dem Kläger zur Stellungnahme zu dem Verweisungsantrag und mit dem weiteren Hinweis übersandt, das Gericht erachte sich weiterhin für unzuständig. Der Kläger behaupte neben dem Leihvertrag ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, bei dem die Anwendung des § 823 BGB gem. § 993 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen sei.
Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 06.09.2016 der Verweisung an das AG Offenburg zugestimmt.
Das AG Siegen hat sich mit Beschluss vom 09.09.2016 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Offenburg verwiesen. Die Begründung des Beschlusses entspricht inhaltlich dem zuletzt erteilten Hinweis.
Das AG Offenburg hat durch Beschluss vom 20.09.2016 festgestellt, dass der Beschluss des AG Siegen vom 09.09.2016 keine Bindungswirkung entfalte, und das Verfahren an das AG Siegen zurückverwiesen. Die Ausführungen des AG Siegen zu seiner vorgeblich nicht bestehenden Zuständigkeit nach § 32 ZPO seien in jeder Hinsicht unzutreffend.
Das AG Siegen hat, nachdem ihm die Akten zurückübersandt worden sind, durch Verfügung vom 26.09.2016 Güte- und Verhandlungstermin anberaumt. Die Beklagte hat durch Schriftsatz vom 22.09.2016, der dem AG Siegen nachgesandt worden ist, vor dem AG Offenburg Beschwerde gegen dessen Verweisungsbeschluss eingelegt. Durch Schreiben vom 29.09.2016 hat das AG Siegen die Parteien darauf hingewiesen, dass es zwar die Bedenken der Beklagten hinsichtlich des Beschlusses des AG Offenburg teile, vorab jedoch die Sach- und Rechtslage mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtern wolle.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 05.10.2016 vor dem Oberlandesgericht Hamm beantragt, das AG Offenburg für zuständig zu erklären und den Rechtsstreit dorthin zurück zu verweisen. Es bestehe allein der allgemeine Gerichtsstand gem. § 13 ZPO.
Der Kläger hält das AG Siegen für zuständig, da dort der Gerichtsstand gem. § 32 ZPO begründet sei. Auch habe er - der Kläger - keinen Antrag auf Verweisung gestellt und nehme diesen jedenfalls ausdrücklich zurück.
Am 11.11.2016 wurde vor dem AG Offenburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet.
II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zu der Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Das nächsthöhere Gericht über den AGen Siegen und Offenburg ist der Bundesgerichtshof. Das AG Siegen, das zuerst mit der Sache befasst war, liegt in dem Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm.
2. Das Verfahren zur Bestimmung des Gerichtsstands ist nicht gem. § 240 ZPO durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten unterbrochen worden. Die Vorschriften betreffen das Hauptsacheverfahren und sind auf das Verfahren gem. § 36 Abs. 1 ZPO nicht anwendbar (BGH, Beschluss vom 07.01.2014 - X ARZ 578/13, BeckRS 2014, 01829, Rn. 7 - zu § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO; OLG Celle, Beschluss vom 18.06.2002 - 4 AR 45/02, juris, Rn. 6; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.11.2011 - 5 Sa 89/11, BeckRS 2011, 28681, ...