Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafvollzug: Bestandsschutz bezüglich genehmigten Besitzes
Leitsatz (amtlich)
1. Allein die Verlegung eines Strafgefangenen innerhalb einer JVA führt grundsätzlich nicht dazu, dass der für ihn mit einer früheren Genehmigung des Besitzes von Gegenständen (hier: einer spitzen Nagelschere) verbundene Bestands- bzw. Vertrauensschutz entfällt. Daher kann der Widerruf dieser Besitzerlaubnis auch nicht auf Erwägungen zur bereits im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung bekannten abstrakten Gefährlichkeit dieses Gegenstandes oder auf eine nachträgliche ergangene Hausverfügung der JVA gestützt werden, sofern dem keine neuen tatsächlichen Erkenntnisse zugrunde liegen.
2. Es versteht sich trotz der Verpflichtung der Vollzugsbehörde, einem Arzneimittelmissbrauch entgegenzuwirken, nicht von selbst, dass Strafgefangenen der Besitz von Medikamenten jeglicher Art und Menge sowie unabhängig von ihrer Indikation und von den Umständen des Besitzerwerbs schon aufgrund ihrer etwaigen abstrakten Gefährlichkeit dauerhaft versagt sei.
Normenkette
StVollzG NRW § 15 Abs. 2; StVollzG NRW § 83 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 56 StVK 425-425/17) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit der auf Aushändigung der vom Antragsgegner eingezogenen Nagelschere des Betroffenen sowie der überdies eingezogenen Medikamente gerichtete Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen worden ist.
Der angefochtene Beschluss wird im Umfang der Zulassung aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Dem Betroffenen wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bewilligt, soweit er sich gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung wendet. Der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt Y in U sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Übrigen wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Betroffene verbüßt eine unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes verhängte lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe, von der am 24.03.2018 15 Jahre verbüßt sein werden. Seit dem 29.09.2005 befindet er sich in der JVA S, wo er für einen in dem angefochtenen Beschluss nicht näher bestimmten Zeitraum bis zu seiner am 13.07.2017 erfolgten Verlegung auf eine reguläre Abteilung auf der Abteilung für lebensältere Gefangene untergebracht war.
Am 02.08.2017 wurden eine im Haftraum des Betroffenen befindliche Nagelschere sowie - im angefochtenen Beschluss nicht näher bezeichnete - Medikamente des Betroffenen eingezogen; die Medikamente wurden dem Sanitätsdienst übergeben.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 03.08.2017 nebst einem zugleich gestellten "Eilantrag" hat der Betroffene die Wiederaushändigung dieser Gegenstände verlangt. Er hat insbesondere geltend gemacht, dass er die Schere circa seit dem 20.09.2003 besitze, ihm dies ursprünglich erlaubt gewesen und ihm die Schere zudem nach einer Überprüfung im Januar 2017 ohne Sicherheitsbedenken wieder ausgehändigt worden sei, so dass insofern Bestandsschutz bestehe.
Der Antragsgegner hat die Einziehung der Schere nach der Darstellung im angefochtenen Beschluss insbesondere damit begründet, dass gemäß einer Hausverfügung - und zwar auch auf der Abteilung für lebensältere Inhaftierte - lediglich der Besitz von Nagelknipsern gestattet sei; eine in der Regel spitze Nagelschere gefährde die Sicherheit und Ordnung der JVA S als Anstalt mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis. Hinsichtlich der Medikamente hat der Antragsgegner insbesondere darauf abgestellt, dass diese einzuziehen und dem Anstaltsarzt zur Entscheidung über den weiteren Verbleib zuzuleiten seien, wenn der Verdacht bestehe, dass ein Inhaftierter sie nicht oder nicht mehr in Besitz haben dürfe. Bei einer unberechtigten Wegnahme würde der Anstaltsarzt die - hier nicht erfolgte - Rückgabe an den jeweiligen Strafgefangenen veranlassen. Der Anstaltsarzt habe vorliegend versichert, dass der Betroffene die von ihm benötigten Medikamente zu den Geschäftszeiten der Krankenabteilung abholen könne.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie hinsichtlich der Nagelschere zusammengefasst ausgeführt, dass es dahinstehen könne, ob dem Betroffenen der Besitz der Nagelschere auf der Abteilung für lebensältere Gefangene zuvor gestattet worden sei, da sich der Betroffene aufgrund seiner Verlegung in die reguläre geschlossene Abteilung nicht auf einen Bestandsschutz berufen könne, nämlich die Belange der Sicherheit und Ordnung neu zu bewerten seien und auf dieser Grundlage die Einziehung der Nagelschere zur - mit der Hausverfügung des Antragstellers bezweckten - Verminderung von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung der JVA zu Recht...