Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG i.V.m. §§ 707, 719 ZPO kann das Beschwerdegericht die Zwangsvollstreckung - ungeachtet der Frage einer Sicherheitsleistung - nur dann einstellen, wenn der Verpflichtete gem. § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Ein solcher liegt vor, wenn im Fall der Abänderung des Vollstreckungstitels der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den beigetriebenen Geldbetrag zurückzuzahlen.
2. Bei der Ermessensentscheidung gem. § 719 Abs. 1 ZPO sind die schutzwürdigen Belange von Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsschuldner unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gegeneinander abzuwägen.
Normenkette
FamFG § 120; ZPO §§ 707, 719
Verfahrensgang
AG Warendorf (Beschluss vom 17.11.2010; Aktenzeichen 9 F 851/09) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem am 17.11.2010 verkündeten Beschluss des AG - Familiengericht - Warendorf - 9 F 851/09 - wird einstweilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages eingestellt, soweit über einen Betrag von monatlich 220 EUR hinaus vollstreckt wird.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Der Antragsgegnerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt X ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zur Abwehr der Beschwerde des Antragstellers bewilligt. Die weitergehende Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt vorbehalten.
Gründe
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist gem. § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG i.V.m. § 719 Abs. 1 ZPO teilweise gerechtfertigt.
Gemäß § 120 Abs. 2 FamFG kann die Vollstreckung unter der Voraussetzung eingestellt werden, dass der Verpflichtete glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Auch in den Fällen des § 707 Abs. 1 ZPO und des § 719 Abs. 1 ZPO kann die Vollstreckung nur eingestellt werden, wenn ein nicht zu ersetzender Nachteil glaubhaft gemacht ist, § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG (öller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 120 FamFG Rz. 4; Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl., § 120 Rz. 3). Es ist davon auszugehen, dass durch die Vollstreckung seitens der Antragsgegnerin dem Antragsteller ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen würde. Die Zwangsvollstreckung führt zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn im Falle der Abänderung des Vollstreckungstitels der Gläubiger voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den beigetriebenen Geldbetrag zurückzuzahlen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1138 f.; Zöller/Herget, 28. Aufl., § 707 Rz. 13; OLG Frankfurt FamRZ 2010, 1370 m. w. Nw zweifelnd allerdings für Unterhaltsforderungen Keidel/Weber, FamFG, 16. Aufl., § 120 Rz. 17 u. Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl., § 120 Rz. 4). Angesichts der geringfügigen Einkünfte der Antragsgegnerin aus ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente, die den notwendigen Selbstbehalt kaum übersteigen, kann nicht damit gerechnet, dass sie zur Rückzahlung zu viel gezahlten Unterhalts in der Lage sein wird. Durch den Verlust des nicht geschuldeten Unterhaltsbetrages würde der Antragsteller damit einen nicht zu ersetzenden Nachteil erleiden.
Im Rahmen der gem. § 719 Abs. 1 ZPO gebotenen Ermessensentscheidung sind unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Einstellung der Zwangsvollstreckung gegeneinander abzuwägen. Es sind einerseits die schutzwürdigen Belange des Antragstellers dahingehend zu berücksichtigen, dass in Zukunft zu erfüllende Unterhaltsansprüche von ihm zurückerlangt werden können, wenn sich im vorliegenden Verfahren deren Unbegründetheit ergibt, andererseits aber auch diejenigen der Unterhaltsgläubigerin, die für das Bestreiten ihres Lebensunterhalts auf die Zahlung der berechtigten Unterhaltsansprüche angewiesen ist. Dies führt zu einer Beschränkung der Vollstreckung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Nach dem gegenwärtigen Sachstand sprechen zwar gewichtige Gründe dafür, dass der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Krankheits- bzw. Aufstockungsunterhalt gem. §§ 1572, 1573 BGB zusteht. Unter Abwägung der o.g. widerstreitenden Interessen hält es der Senat aber aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung für angemessen, der Antragsgegnerin vorläufig nur einen dem eheangemessenen Selbstbehalt i.H.v. 1.000 EUR ungefähr entsprechenden Betrag zuzubilligen, der allerdings teilweise bedarfsdeckend durch eigene Einkünfte aus ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente, die derzeit 786,62 EUR beträgt, gedeckt werden kann. Demnach ist die Zwangsvollstreckung wegen des die Differenz überschreitenden Betrages von 220 EUR monatlich vorläufig einzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 2643723 |
FamRZ 2011, 1317 |
MDR 2011, 510 |