Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit einer Terminsverfügung bzw. Terminsverlegungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit ausnahmsweise entgegen § 305 S. 1 StPO die Anfechtbarkeit einer Terminsvwerfügung bzw. Terminsverlegungsentscheidung des Vorsitzenden bejaht wird, setzt dies einen evidenten Ermessensfehler bzw. gewichtigen Rechtsfehler voraus.
2. Bei der Entscheidung über die Terminierung einer Strafsache und über entsprechende Verlegungsanträge der Prozessbeteiligten hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelasdtung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu treffen, wozu insbesondere das Recht des Angeklagten auf wirksame Verteidigung durch einen Verteidiger seiner Wahl (Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. c. MRK) gehört. Allerdings kann nicht jede Verhinderung des gewählten Verteidigers - insbesondere wegen Terminen in anderen Verfahren - zur Folge haben, dass eine geplante oder bereits anberaumte Hauptverhandlung nicht stattfinden kann.
3. Es ist in erster Linie Aufgabe des Pflichtverteidigers, die bei unterschiedlichen Gerichten anhängigen Verfahren im Blick zu behalten und die jeweiligen Vorsitzenden frühzeitig auf konkrete Terminkollisionen hinzuweisen, damit diese im aufgezeigten Ermessensspielraum Bereücksichtigung finden können.
4. Es ist nicht Aufgabe des Vorsitzenden, gleichsam "auf Verdacht" im Wege der Amtsermittlung sich etwaig zukünftig ergebende Terminüberschneidungen zu eruieren und in seine Terminierungsentscheidung einzubeziehen.
Normenkette
StPO §§ 304, 305 S. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 56 KLs 7/14) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Nach Zulassung der 214 Seiten umfassenden Anklage der Staatsanwaltschaft Essen vom 27. Mai 2014 und Eröffnung des Hauptverfahrens durch Beschluss vom 22. Juli 2014 verhandelt die XXI. große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Essen seit dem 11. August 2014 gegen den Angeklagten O und sieben Mitangeklagte u.a. wegen des Verdachts der gewerbs- und bandenmäßigen Geldwäsche in Tateinheit mit Verstoß gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz im Bereich der internationalen, organisierten Betäubungsmittelkriminalität, wobei den schweigenden bzw. nicht geständigen Angeklagten bis zu 165 Fälle der Geldwäsche vorgeworfen werden. Sämtliche Angeklagten sind seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft. Der Angeklagte O wurde am 29. Oktober 2013 festgenommen. Seit diesem Tag befindet er sich ununterbrochen in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt E.
Alle Angeklagten werden durch mindestens zwei Pflichtverteidiger vertreten; dem Angeklagten O wurden die Rechtsanwälte H und L in C als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Zunächst hatte der Kammervorsitzende in Abstimmung mit sämtlichen Verteidigern durch Terminsverfügung vom 22. Juli 2014 insgesamt 25 Hauptverhandlungstermine im Zeitraum vom 11. August 2014 bis zum 14. November 2014 bestimmt. Die Beweisaufnahme in dem sehr umfangreichen Verfahren, welches mittlerweile mehr als 8500 Seiten Hauptakten nebst 14 Sonderbänden sowie weiteren 14 separaten Fallaktenbänden umfasst, gestaltet sich aufwändig und langwierig, zumal u.a. zahlreiche (Auslands-)Zeugen gehört und umfangreiche Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen in das Verfahren eingeführt bzw. ausgewertet werden müssen. Im Hauptverhandlungstermin am 08. Januar 2015, dem 27. Verhandlungstag, fand beispielsweise (erst) die Beweisaufnahme zur angeklagten Tat 12 von 165 angeklagten Taten im dritten Tatkomplex statt. Vor diesem Hintergrund hatte der Kammervorsitzende bereits durch Verfügung vom 09. September 2014 - wiederum in Absprache mit allen Verteidigern - weitere Fortsetzungstermine im November 2014 bis einschließlich 30. Januar 2015 bestimmt. Spätestens Ende Oktober 2014/Anfang November 2014 zeichnete sich ab, dass die bisher bestimmten Fortsetzungstermine wiederum nicht ausreichen würden, zumal sich die Beweisaufnahme Anfang November 2014, also knapp drei Monate nach Hauptverhandlungsbeginn, (erst) auf Telefonate betreffend die ersten neun der insgesamt 165 angeklagten Taten bezog. Vor diesem Hintergrund drängte sich sämtlichen Verfahrensbeteiligten geradezu auf, dass weitere Fortsetzungstermine erforderlich sein würden, zumal alle acht Angeklagten (weiterhin) von ihrem Schweigerecht Gebrauch machten. Nachdem die Notwendigkeit weiterer Fortsetzungstermine den Verfahrensbeteiligten bereits im Oktober und November 2014 mehrfach mündlich durch den Kammervorsitzenden mitgeteilt worden war, teilte er dies im Fortsetzungstermin am 26. November 2014 ausweislich der Sitzungsniederschrift nochmals ausdrücklich mit und bat die Verteidiger um kurzfristige Mitteilung ihrer freien Termine per Telefax im Hinblick auf eine Anfang Dezember 2014 avisierte Terminsladung.
Daraufhin teilten die Verteidiger des Angeklagten O mit Telefax-Schreiben vom 28. No...