Leitsatz (amtlich)
Zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, eine Personen, deren Anwesenheit notwendig ist, sei in der Hauptverhandlung nicht anwesend gewesen gehört, dass vorgetragen wird, wie lange die Abwesenheit gedauert hat und dass die Verfahrensvorgänge, die in Abwesenheit der Person durchgeführt worden sind, nicht wiederholt worden sind.
Verfahrensgang
LG Hagen (Entscheidung vom 07.11.2005) |
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Hagen wegen sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Auf die dagegen gerichteten Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen richtet sich nun noch die Revision des Angeklagten, mit der er die formelle und materielle Rüge erhoben hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,
das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Sie war auf der Grundlage des Antrags der Generalstaatsanwaltschaft vom 14. Februar 2006, der dem Angeklagten und seinem Verteidiger bekannt ist gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Die Nachprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht erkennen lassen.
Zusätzlich zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft ist auf Folgendes hinzuweisen.
1.
Die formelle Rüge ist nicht ausreichend im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet.
Mit der formellen Rüge hat der Angeklagte einen Verstoß gegen § 226 Abs. 1 StPO und damit den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend gemacht. Diesen sieht er darin, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zeitweise nicht in der Hauptverhandlung anwesend gewesen sei. Nach Befragung des Angeklagten durch das Gericht habe sich der Vorsitzende an den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gewendet, um ihm für eine etwaige Befragung des Angeklagten das Wort zu erteilen. Als er den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft direkt angesprochen habe, habe dieser auf seinem Platz mit seitlich abgewinkeltem und leicht nach hinten geneigten bzw. hängendem Kopf gesessen. Seine Augen seien geschlossen, sein Mund leicht geöffnet gewesen. Auf die direkte Anrede durch den Vorsitzenden "Herr Staatsanwalt?" sei keine Reaktion erfolgt. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe zunächst nicht reagiert und sei in der beschriebenen Körperhaltung verblieben. Nach mehreren Sekunden reaktionsloser Verweilung des Sitzungsvertreters habe sich dieser dann plötzlich wieder räumlich orientiert. Eine Ausübung des Fragerechts sei aber nicht erfolgt.
Der Angeklagte zieht aus diesem Verhalten des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft den Schluss, dass dieser "offensichtlich geschlafen" habe.
Mit diesem Vortrag ist die Rüge des Verstoßes gegen § 226 Abs. 1 StPO nicht ausreichend begründet. Dahin stehen kann, ob das geschilderte Verhalten des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft überhaupt zwingend den Schluss zulässt, dass dieser geschlafen hat und deshalb nicht in der Hauptverhandlung anwesend war (vgl. dAzu Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 226 Rn. 3). Zutreffend weist die Generalstaatsanwaltschaft nämlich darauf hin, dass eine Anwendung der zum "schlafenden Richter" zu § 338 Nr. 1 StPO geltenden Grundsätze (vgl. dAzu Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 10 ff. mit weiteren Nachweisen) überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft über einen "nicht unerheblichen Zeitraum" (vgl. u.a. BGH NStZ 1982, 41; Meyer-Goßner, a.a.O., § 338 Rn. 14 mit weiteren Nachweisen) "fest geschlafen" hätte. der Länge der Zeitraums, in dem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft möglicherweise nicht, weil schlafend, in der Hauptverhandlung anwesend war, verhält sich das Vorbringen der Revision aber nicht. Es wird mit keinem Wort ausgeführt, ob es sich um eine nur momentane Unaufmerksamkeit des Sitzungsvertreters gehandelt, der, wenn überhaupt, gerade in dem Moment, in dem der Vorsitzende sich an ihn wandte, eingenickt war, oder ob er schon eher, also bereits während der Befragung des Angeklagten, nicht mehr in der Hauptverhandlung anwesend war. Dieser Vortrag ist aber, um die Begründetheit des geltend gemachten Verfahrensverstoßes beurteilen zu können, erforderlich.
Das Revisionsvorbringen ist zudem in einem zweiten Punkt nicht ausreichend. Es ist zu § 247 StPO, der eine Ausnahme von § 226 StPO darstellt, unbestritten, dass während der Abwesenheit des Angeklagten nur die Vernehmung durchgeführt werden darf, von der der Angeklagte durch Beschluss ausgeschlossen worden ist. Andere Beweiserhebungen und -vorgänge sind während der Abwesenheit des Angeklagten untersagt (Meyer-Goßner, a.a.O., § 247 Rn. 7)....