Entscheidungsstichwort (Thema)
Notariatskostensache: Ermessensausübung bei Geschäftswertbemessung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Richter des LG ist für die Dauer seiner nebenamtlichen Tätigkeit in der Justizverwaltung als Notarprüfer von der Wahrnehmung seines Richteramtes in Beschwerdesachen nach § 156 KostO ausgeschlossen.
2. Kriterien für die Ausübung des Ermessens bei der Bemessung des Geschäftswertes für eine Gebühr gem. § 147 Abs. 2 KostO für die Beachtung einer Vorlagensperre.
Normenkette
ZPO § 547 Nr. 1; KostO § 30 Abs. 1, § 147 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bochum (Beschluss vom 15.07.2004; Aktenzeichen 7 T 176/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 43,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 4) hat unter der o.a. Urkundennummer einen Grundstückskaufvertrag der weiteren Beteiligten beurkundet, mit dessen Vollzug im Grundbuch er beauftragt wurde. In diesem Rahmen wurde er angewiesen, die Auflassung dem Grundbuchamt erst dann zum Vollzug vorzulegen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen sei und die erforderlichen Löschungsbewilligungen auflagenfrei zur Verfügung ständen.
Für die Beachtung der sog. Vorlagensperre hat der Beteiligte zu 4) in der o.a. Kostenrechnung eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO nach einem Geschäftswert von 121.250 EUR, was 50 % des Kaufpreises entspricht, in Ansatz gebracht. Im Rahmen der ordentlichen Geschäftsprüfung ist der Geschäftswert seitens der Justizverwaltung als überhöht beanstandet worden. Da der Beteiligte zu 4) diese Beanstandung nicht akzeptiert hat, ist er seitens des Präsidenten des LG angewiesen worden, die Entscheidung der zuständigen Zivilkammer herbeizuführen. Über die weisungsgemäß eingelegte Beschwerde hat die Kammer unter Mitwirkung ihrer planmäßigen Vorsitzenden entschieden, die nebenamtlich mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Notaraufsicht nach § 93 BNotO beauftragt war und ist. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Kammer die Kostennote des Notars dahin gehend abgeändert, dass für die Beachtung der Vorlagensperre lediglich eine Gebühr nach einem Geschäftswert von 72.750 EUR in Ansatz zu bringen ist, was 30 % des Kaufpreises entspricht. Hiergegen richtet sich die durch die Kammer zugelassene weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4).
II. Die weitere Beschwerde ist nach § 156 Abs. 2 S. 2 KostO infolge Zulassung durch das LG statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 4) folgt daraus, dass das LG die angefochtene Kostenberechnung zu seinem Nachteil abgeändert hat.
In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 156 Abs. 2 S. 3 KostO). Die Kammer war bei der Entscheidung infolge der Mitwirkung ihrer planmäßigen Vorsitzenden nicht ordnungsgemäß besetzt (§ 156 Abs. 2 S. 4 KostO i.V.m. § 547 Nr. 1 ZPO). Dieser Verfahrensmangel ist auch ohne eine entsprechende Rüge der weiteren Beschwerde von Amts wegen zu berücksichtigen (Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27 FGG Rz. 15).
Die Kammervorsitzende war für die Dauer ihrer nebenamtlichen Notarprüfungstätigkeit gehindert, an Verfahren nach § 156 KostO als Richterin mitzuwirken. Es ist mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und der Gewährleistung des sachlich unabhängigen Richters (Art. 97 Abs. 2 GG) nicht zu vereinbaren, wenn ein Richter in dieser Eigenschaft an Verfahren mitwirkt, die gerade das Sachgebiet betreffen, in welchem er weisungsabhängig Aufgaben der Justizverwaltung wahrnimmt. Dies ist hinsichtlich derjenigen richterlichen Amtsträger, denen die Aufgaben der Justizverwaltung unmittelbar zufallen, also hinsichtlich der Landgerichtspräsidenten und ihrer ständigen Vertreter, weitestgehend anerkannt (vgl. u.a. OLG Hamm MittBayNot 1998, 202 [203]; BayObLG v. 30.6.1987 - BReg.3 Z 90/87, MDR 1987, 945 = NJW-RR 1988, 254; OLG Stuttgart DNotZ 1972, 185 f.; Korintenberg/Bengel/Tiedke, KostO, 16. Aufl., § 156 Rz. 67; Keidel/Zimmermann, FG, 15. Aufl., § 6 FGG Rz. 38). Entsprechendes muss jedoch auch gelten, wenn der Richter lediglich nebenamtlich Aufgaben der Justizverwaltung auf eben dem Sachgebiet wahrnimmt, das auch in seine richterliche Zuständigkeit fällt (OLG Stuttgart DNotZ 1972, 185; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 1993, 239).
Die Ausschließung der Kammervorsitzenden wurde auch durch den Kammerbeschluss vom 7.10.2003 nicht aufgehoben. Insoweit kann es dahinstehen, ob eine analoge Anwendung des § 48 ZPO bei einem verfassungsrechtlich begründeten Ausschluss von der Wahrnehmung des Richteramts überhaupt in Betracht kommt. Die Kammer hat den von der Vorsitzenden angezeigten Sachverhalt nämlich allein unter dem Gesichtspunkt einer individuellen Befangenheit gesehen und entschieden. Hierauf kommt es in dem aufgezeigten Zusammenhang jedoch nicht an.
Da es sich bei der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts um einen sog. absoluten Besch...