Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsunterhalt wegen erhöhtem Förderbedarf eines autistischen Kindes; Unzumutbarkeit einer Vollzeitbeschäftigung bei Betreuung eines autistischen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Auch bei fortgeschrittenem Alter eines autistischen Kindes besteht keine Verpflichtung der Kindesmutter zur Vollzeittätigkeit, wenn ein deutlich erhöhter Förderungsbedarf des Kindes besteht; die Kindesmutter kann in diesem Fall Betreuungsunterhalt beanspruchen.
Normenkette
BGB § 1570
Verfahrensgang
AG Dortmund (Beschluss vom 02.12.2015; Aktenzeichen 119 F 2506/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 06.01.2016 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Dortmund vom 02.12.2015 (119 F 2506/15) unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde wie folgt abgeändert:
Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin O, W, zu den Bedingungen eines im Bezirk des LG Dortmund ansässigen Rechtsanwalts Verfahrenskostenhilfe für den Antrag bewilligt, den vor dem AG Dortmund am 05.05.2010 im Verfahren 119 F 5199/09 abgeschlossenen Vergleich dahin abzuändern, dass der Antragsteller mit Wirkung ab dem 01.05.2015 verpflichtet ist, der Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 449,00 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist der gemeinsame Sohn T, geboren am ... 2000, hervorgegangen. T leidet an Autismus, Neurodermitis und einer Lebensmittelunverträglichkeit und wird von Migräne und Kopfschmerzen geplagt. Die Beteiligten schlossen am 05.05.2010 einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Antragsteller der Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 591,00 EUR zu zahlen hat. Grundlage des Vergleichs ist unter anderem eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, einer geringfügigen Beschäftigung nachzugehen. Inzwischen haben die Beteiligten einvernehmlich, jedoch ohne Abänderung des Titels, die Zahlungen auf den nachehelichen Unterhalt auf 449,00 EUR reduziert. Die Antragsgegnerin arbeitet derzeit als Kommissioniererin bei der Firma S in einem Umfang von 16 Stunden in der Woche.
T besucht inzwischen die 9. Klasse einer Gesamtschule. Der Unterricht dauert an vier Tagen in der Woche bis 15:45 Uhr, an einem Tag lediglich bis 12:45 Uhr. Jedenfalls 14-täglich besucht er eine Therapie in einem Autismuszentrum. Darüber hinaus spielt er im Rahmen der Therapie wöchentlich eine Stunde Tennis.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der Antragsgegnerin mit Rücksicht auf das Alter von T, seine Betreuungsmöglichkeiten in der Schule sowie seinen Entwicklungsstand eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zugemutet werden könne. Er beantragt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag, den gerichtlichen Vergleich vom 05.05.2010 dahin abzuändern, dass ab Mai 2015 keine Pflicht zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt mehr besteht.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass ihr eine Tätigkeit, die über den bisherigen Umfang hinausgeht, nicht zumutbar sei. Insbesondere müsse sie mittags zu Hause sein, um mit T das Mittagessen einzunehmen, weil er sich weigere, in der Schule zu essen.
Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung ist es davon ausgegangen, dass der Antragsgegnerin eine über eine Zwei-Drittel-Stelle hinausgehende Erwerbstätigkeit wegen des erhöhten Förderbedarfs von T nicht zumutbar sei. Auf der Basis der beiderseitigen Einkommensverhältnisse ergebe sich ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin, der über die derzeit gezahlten 449,00 EUR hinausgehe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II. Die gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 bis 4, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat lediglich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers zur Abänderung des Vergleichs vom 05.05.2010 verspricht lediglich insoweit Aussicht auf Erfolg (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO), als er eine Abänderung des Vergleichs auf den Betrag von 449,00 EUR anstrebt, auf den sich die Beteiligten offenbar geeinigt haben.
Der Antragsteller ist der Antragsgegnerin weiterhin gemäß § 1570 BGB wegen der Betreuung eines gemeinsamen Kindes zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet. Nach § 1570 BGB kann ein geschiedener Ehegatte vom anderen Ehegatten wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht, wobei die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung des AG, dass der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Belange von T und der bestehenden Betreuun...