Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 115 O 100/18)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe des Klägers aus der Berufungsbegründung vom 23.07.2019 (Bl. 81 ff. [Hauptakte] der elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden: eGA) greifen nicht durch.

1. Der Kläger kann weder Leistungen aus dem Versicherungsvertrag noch die Feststellung verlangen, dass dieser zwischen den Parteien ursprünglich geschlossene Versicherungsvertrag fortbesteht. Denn der Vertrag ist durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 14.08.2017 erklärte Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend nichtig geworden. Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt gemäß § 22 VVG von den Regelungen in §§ 19 ff. VVG zu den vorvertraglichen Anzeigepflichten unberührt.

a) Es besteht ein Anfechtungsgrund.

Die Beklagte wurde im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB durch eine arglistige Täuschung zur Abgabe ihrer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung bestimmt.

aa) Es liegt eine Täuschung über Tatsachen vor.

(1) Auch das Verschweigen von Umständen kann eine Täuschung darstellen, wenn eine Rechtspflicht zur Aufklärung besteht (Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 123 Rn. 5). Eine solche Aufklärungspflicht besteht immer dann, wenn der andere Teil nach gewissen Umständen ausdrücklich fragt; solche Fragen müssen vollständig und richtig beantwortet werden (BGH, Urteil vom 11.06.1979 - VIII ZR 224/78, BGHZ 74, 383, juris Rn. 21). Ohnehin ist im Streitfall "aktiv" die Antwort "Nein" gegeben worden.

(2) Die maßgeblichen Antragsfragen lauteten (eGA 212 Hauptakte I. Instanz):

"6. Sind Sie in den letzten 5 Jahren durch Ärzte, Heilbehandler, Therapeuten oder Angehöriger sonstiger Gesundheitsberufe (z.B. Psychologen, Krankengymnasten, Heilpraktiker, Psycho-/Physiotherapeuten) untersucht, behandelt oder beraten worden wegen Erkrankungen, Störungen oder Unfallfolgen

[...]

b) der Lunge, Bronchien, Zwerchfell (z.B. chronische Bronchitis, Asthma *, Atemwegsprobleme)?

[...]

f) der Blut bildenden Organe, Blut- oder Tumorerkrankungen (z.B. Krebs, Anämie, Leukämie)?

[...]

7. Liegen oder lagen innerhalb der letzten 5 Jahre weitere, noch nicht genannte, behandlungsbedürftige Erkrankungen oder Beschwerden vor, wegen denen Sie in ambulanter Behandlung von Ärzten, Heilbehandlern, Therapeuten oder Angehörigen sonstiger Gesundheitsberufe waren (z.B. Psychologen, Krankengymnasten, Heilpraktiker, Psycho-/Physiotherapeuten) oder fanden Untersuchungen statt oder beabsichtigen Sie, sich in Behandlung zu begeben?

[...]

* Wenn ja, bitte den jeweiligen Fragebogen zusätzlich ausfüllen. Dies beschleunigt die Antragsbearbeitung und erspart Rückfragen.

Es ist unstreitig, dass sämtliche vorgenannten Fragen in dem vom Kläger unterschriebenen Antragsformular mit "nein" beantwortet wurden. Ebenso unstreitig bestand aber beim Kläger schon über längere Zeit eine Asthmaerkrankung, die auf die Frage 6b) hin anzugeben gewesen wäre. Auch hinsichtlich der wegen der Schwellung am Hals stattgefundenen Behandlungen bestand eine Pflicht, diese anzugeben. Falls, wie es die Beklagte behauptet und was die unstreitig an diesem Tag angeordnete MRT-Behandlung durchaus nahelegt, schon am 12.11.2015 der Verdacht auf eine Krebserkrankung des Klägers bestand, hätte die Frage 6f) bei Antragstellung am 13.11.2015 mit "ja" hätte beantwortet werden müssen. Letztlich kann das aber dahinstehen, denn jedenfalls bestanden in Form der unklaren Schwellung Beschwerden, wegen derer der Kläger ärztlich behandelt wurde und die mithin auf die Frage 7 hin anzugeben gewesen wären.

(3) Die Behauptung des Klägers, die Krebserkrankung müsse gegenüber der Beklagten offenbart worden sein, weil sonst ein Grund für die Vorziehung des Versicherungsbeginns vom 01.01.2016 auf den 01.12.2015 nicht ersichtlich sei, ist aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme widerlegt.

Der Zeuge S hat hierzu überzeugend ausgesagt, dass er die Gesundheitsfragen dem Vater gestellt und den Fragebogen sodann nach dessen Angaben ausgefüllt habe. Konkrete Zweifel, die Anhaltspunkte für Zweifel an der Würdigung des Landgerichts begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), sind nicht ersichtlich und werden auch in der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt. Der Senat erachtet die Aussage des Zeugen, ebenso wie das Landgericht, für glaubhaft. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Vater dem Zeugen die unklare Schwellung am Hals seines Sohnes offenbart hät...

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