Leitsatz (amtlich)
Das nach § 329 Abs. 1 StPO ergangene Verwerfungsurteil muss so begründet sein, dass das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann. Insbesondere müssen etwa vorgebrachte Entschuldigungsgründe und sonstige ggf. als Entschuldigung in Betracht kommende Tatsachen wiedergegeben und gewürdigt werden.
Verfahrensgang
LG Hagen (Entscheidung vom 11.07.2002) |
LG Bochum (Aktenzeichen 13. 06. 2002) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten ist gegenstandslos.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Bochum vom 23. Januar 2002 wegen versuchten Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt worden. Hiergegen hat er form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Das Landgericht hat daraufhin Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 13. Juni 2002 bestimmt. In der Hauptverhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen. Sein Verteidiger hat einen vorläufigen Entlassungsbericht des Westfälischen Zentrums für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Bochum vom 25. April 2002 überreicht, wonach der Angeklagte an einer "Paranoid-halluzinatorischen Psychose" leidet und "opiatabhängig" ist. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Diese Entscheidung hat es formularmäßig (nur) damit begründet, dass der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung "ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden" sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er trägt vor, dass er "zum einen die Ladung nicht erhalten hat und zum anderen an paranoid-halluzinatorischer Psychose leidet und die Bedeutung der Notwendigkeit seines Erscheinens zur Hauptverhandlung nicht erfassen konnte. Er ist höchstwahrscheinlich nicht haftfähig. "
Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Landgericht inzwischen durch Beschluss vom 11. Juli 2002 als unbegründet verworfen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision und die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten hat - zumindest vorläufig - Erfolg, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen war.
1.
Die Revision ist noch ausreichend begründet. Wird mit der Revision gegen ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass der Angeklagte nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , § 329 Rn. 48; Beschluss des Senats in VRS 97, 44 = DAR 1999, 277 Ls. = StV 2001 340 Ls. und in NStZ-RR 2000, 85 = VRS 98, 203 = DAR 2000, 56 Ls. ; siehe u. a. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung insbesondere auch noch OLG Köln StV 1989, 53 mit weiteren Nachweisen). An die Zulässigkeit dieser Verfahrensrüge werden jedoch keine strengen Anforderungen gestellt (OLG Köln, a. a. O. ). Ergibt sich, dass der Angeklagte Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, ist es ausreichend, wenn ausgeführt wird, das Berufungsgericht habe das Ausbleiben des Angeklagten nicht als unentschuldigt ansehen zu dürfen.
Diese Rüge ist vorliegend zumindest in dem gleichzeitig mit der Revision begründeten Wiedereinsetzungsantrag enthalten. Das ist ausreichend (OLG Köln, a. a. O. ). Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils brauchen nicht wiederholt zu werden. Das wäre, zumal, wenn das Urteil wie vorliegend nur formularmäßig begründet worden ist, reiner Formalismus (OLG Düsseldorf NStZ 1994, 331 = StV 1994, 148). Auch das Fehlen der Revisionsanträge schadet vorliegend nicht, da das Ziel des Rechtsmittels, die Aufhebung des angefochtenen Urteils, noch ohne weiteres zu erkennen ist. Schließlich lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Begründung auch noch ausreichend entnehmen, dass der Verteidiger sich für den Angeklagten zur Entschuldigung des Ausbleibens im Hauptverhandlungstermin auf den Entlassungsbericht vom 25. April 2002 berufen hat.
2.
Die somit zulässig mit der Verfahrensrüge begründete Revision hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
a)
Dahinstehen kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 329 Abs. 1 StPO mit Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK vereinbar ist. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Konventionswid...